Jenny Michel. Traps

4.12.2015 – 2.4.2016 | Städtische Galerie Wolfsburg

Schon mehrmals hat Jenny Michel lange enge Papierbahnen oder auch transparente Klebestreifen von der Decke, bedruckt mit Textspuren – mal aus wissenschaftlichen Abhandlungen oder Lexika, mal Auszüge aus einer Beschreibung des Lebens im Familienschloss Wolfsburg von Frieda Gräfin von Schulenburg – auf den Boden herabhängen lassen, die jedoch nie dafür gedacht waren, gelesen zu werden. Vielmehr geht es der 1975 geborenen und in Berlin lebenden Künstlerin darum, die Bruchstückhaftigkeit des Wissens oder auch das Verständnis der anderen Wesen zu unterstreichen.  Es ist unmöglich, der Komplexität des Ganzen gerecht zu werden. Deshalb erfolgen die Texttransfers auf die Klebe- oder Papierstreifen nur fragmentarisch und deshalb wecken sie eine Art von Sehnsucht nach einem globalen Verständnis, so wie es beispielsweise in einer ihrer Ausstellungen im Kunstverein in Ludwigshafen der Fall war, wo Beschriftungen an der Wand wie Utopia, Avalon, Elysium, Garden City, New Harmony oder Crockerland diese Sehnsucht noch potenzierten.

Jenny Michels „Traps“ (Fallen) im Schloss Wolfsburg greifen nun erneut das Thema auf. Hier geht es darum, verborgene, auf den ersten Blick unsichtbare Phänomene einzufangen und sie sichtbar zu machen. In manchen Fällen werden von diesen aus verschiedenen Cut-outs bestehenden „Traps“ Signale eingefangen, die sich dann in Sound verwandeln können. Letztendlich sind es aber freie, nur bedingt miteinander verbundene Zeichen, die sich meist nicht dechiffrieren lassen und ein Textamalgam bilden.

Jenny Michel hat in Wolfsburg bereits zwei Ausstellungen realisiert. Diese neue Arbeit bezieht sich auf die in der Galerie des Schlosses angebrachte Installation von Olaf Nicolai „Die Flamme der Revolution liegend (in Wolfsburg)“ aus dem Jahr 2002, als der Künstler den Kunstpreis der Stadt Wolfsburg bekam. Die Städtische Galerie kaufte daraufhin sein Werk an. Dieses wiederum verweist auf die ursprüngliche, 24 Meter hohe Betonplastik von Siegfried Fliegel „Flamme der Revolution“ aus dem Jahr 1967 am Hansenring in der ostdeutschen Stadt Halle, die ihrerseits auf das „Märzgefallenendenkmal“ von Walter Gropius (Weimar 1923) sowie auf Vladimir Tatlins „Modell der Dritten Internationale“ (1919) rekurriert. Da Nicolai aber diese Skulptur liegend zeigt, wird klar, dass die Flamme der Revolution erloschen ist.

Jenny Michels „Traps“ reflektieren also nicht nur die Geschichte des Schlosses, sondern auch die Geschichte einer Idee eines Denkmals, die in der Folgezeit verschiedenartige neue Interpretationen bekam, um letztendlich in der Bedeutungslosigkeit und allgemeinen Gleichgültigkeit zu enden. Die „Falle“  besteht darin, den Faden aufzunehmen und zurück zu verfolgen, damit diese „modernen Hieroglyphen“, die zunächst aus jeglichem Kontext gelöst erscheinen, auf Umwegen wieder deutbar sind. Die Cut-outs verschiedener wissenschaftlicher Publikationen aus mehreren Jahrhunderten überzogen mit Kupferdrähten können dabei sowohl eine Hilfe als auch eine Falle sein.

Text: Dr. Milan Chlumsky / ka47 | Bild: Städtische Galerie Wolfsburg
Externer Link: Städtische Galerie Wolfsburg

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