Ich muss nicht ans Meer

13.2. – 24.4.2016 | Kunstmuseum Thun

Fürs Wasser braucht man kein Meer!
Eine Entdeckungsreise im Kunstmuseum Thun

Denkt man ans Wasser, an die Darstellung des flüssigen Elements in der bildenden Kunst, so fallen einem wohl zunächst die „Seestücke“ der alten Niederländer ein. Aber bevor es ins Meer fließen kann, bildet das Wasser die Flüsse und die entspringen bekanntlich in den Bergen! So muss man sich am Thuner Kunstmuseum gesagt haben bei der Idee zur großen thematischen Schau im Frühjahr und fast trotzig stellt die Titelzeile denn auch klar: Ich muss nicht ans Meer – denn Wasser gibt es in den Bergen genug. Und in Form von Thunersee und Aare sogar gleich vor der Museumstür… Auch für die Auswahl der Exponate musste der Blick nicht in die Ferne gehen, vielmehr bietet die hauseigene Sammlung für eine gezielte thematische Sondierung reichlich Stoff, der noch ergänzt wird durch aktuelle künstlerische Positionen.

Die zeitliche Spanne reicht dabei von der Jahrhundertwende um 1800 bis in unsere Tage. Wobei natürlich zu bemerken wäre, dass das Wasser schon weit früher zum Thema der Künste wurde, nicht nur, weil es zu den vier Elementen schon in der Antike gehörte, sondern weil es unabdingbarer Teil der Bergwelt war, die im 18. Jahrhundert auf die künstlerische Bühne trat. Die Alpen waren bis dahin ausschließlich als bedrohliches, gar Schrecken erregendes Verkehrshindernis auf dem Weg zwischen Nord und Süd wahrgenommen worden, das man sozusagen am liebsten gleich vergaß, kaum war man glücklich auf der jeweils anderen Seite angelangt: Nun aber schaut man genauer hin – und entdeckt Wasser in ganz verschiedenen Aggregatzuständen. Regenwasser, Bäche und Flüsse, die Gischtwolken der Wasserfälle, aber auch das Eis der Gletscher, den Schnee und schließlich bei dessen Schmelzen im Frühjahr die Rinnsale, die zu plätschernden Bächen oder zu reißenden Strömen werden können. Das Wasser durchläuft einen ewigen Kreislauf mit den Jahreszeiten, ist Vorbedingung des Lebens und hat zugleich zerstörerische Kraft. Deren Schrecken allerdings tritt mit der Zeit in den Hintergrund, der wohlige Schauer wird zum Genuss in einer Epoche, die mittels technischen Fortschritts die Natur zunehmend in den Griff bekommt.

Zu den bedeutendsten frühen Künstlern der Ausstellung im Thuner Kunstmuseum gehört Joseph Anton Koch, der die „Eisgebirge und Gletscher des Strubels“ zum Thema einer fein durchgezeichneten Radierung nimmt, bei der trotz ihrer geringen Dimension die Macht der Natur deutlich spürbar wird. Ungleich bedrängender wirkt der Gletscher in Ester Vonplons Kohlepigmentdruck von 2014, und das nicht nur durch das hier gewählte große Format, sondern vor allem durch das wie „herangezoomt“ Wirkende der über die Eisdecke hinausragenden Felsschrunden. Nahsichtig bildet auch Adela Picón das Wasser ab, darüber hinaus kann sie im Medium Video auch seine stürzende Bewegung hinab in eine Felsspalte zeigen. Von geradezu traumverlorener Stille dagegen ist der „Blaue Abend“ am See (1973) des Malers Viktor Surbek, der die abstrahierende Naturdarstellung eines Hodler in unsere Tage holt.

 

Text: Dieter Begemann / ka47 | Bild: Kunstmuseum Thun
Externer Link: Kunstmuseum Thun

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Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!

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