Begemanns Blog | Filmperlen: Wie klaut man eine Million? (1966) | Teil 2

Kann Schönheit Sünde sein?

E-Type 1961, © Jaguar & Land Rover

Jetzt nimmt die Sache Fahrt auf (zu den Fahrzeugen kommen wir gleich und zu was für welchen!), wir kommen zur aufregenden Erstbegegnung der beiden Hauptfiguren! Versicherungsagent Simon Dermott, den Peter O’Toole spielt, hat offenbar Wind davon bekommen, dass es bei der sagenhaften Sammlung Bonnet nicht so ganz mit rechten Dingen zugeht und verschafft sich kurzerhand nächtlicherweile – Bonnet ist aushäusig auf einer glanzvollen Vernissage – Zugang ins Haus, um einem „Van Gogh“ heimlich Proben zu entnehmen. Dabei aber wird er überrascht von der daheim gebliebenen Tochter Nicole: Auftritt Audrey Hepburn! Ihr (noch unglaublich junger) Charme hatte schon ein gutes Jahrzehnt zuvor, 1953, Wylers Roman Holiday (deutscher Verleihtitel, wie oft etwas unglücklich: Ein Herz und eine Krone) getragen und der gerade mal 24-jährigen Schauspielerin zum ersten Oskar verholfen. Hier kommt sie nun im (züchtigen) Negligé die Treppe hinab und muss natürlich den Eindringling für einen Dieb halten. Nach einigem Hin und Her –Nicole möchte, im Bewusstsein der Fälschungen – ungern die Polizei holen, verletzt sie den vermeintlichen Schurken mit einer Dekorations-Pistole, die sich aber, für die beiden Kontrahenten wie für den Zuschauer überraschend, als echt erweist.

Beim Verbinden seines Arms kommt man sich vorsichtig näher und nicht ungern nimmt der armbandagierte Held (doch ja, man kann ihn verstehen…) Nicoles Angebot an, ihn nach Haus zu fahren! Allerdings, mit welchem Auto? Ihres! Nein, das geht natürlich nicht, da bleibe ja seins am Tatort! Also seins! Und das erweist sich, holla!, als Jaguar, genauer gesagt als cremefarbener E-Type Roadster, mit dem wir nun die junge Dame zum Schrecken aller übrigen Verkehrsteilnehmer überaus beherzt durch die nächtlichen Straßen stechen sehen, ein (natürlich unbeabsichtigter) Powerslide am Kreisverkehr ist noch das Mindeste… Dieses Fahrzeug war bei seiner Präsentation 1961 eine stilistische Sensation gewesen und ist 1966 immer noch absolut aktuell (tatsächlich wurde das Modell bis weit in 70er gebaut). Die Form basierte auf den aerodynamischen Erfahrungen, welche die britische Marke bei ihren Langstreckenrennern in den 50ern gesammelt hatte, wurde aber in den 60ern zur gefeierten Stilikone Die ungeniert phallische Form des Fahrzeugs mit seiner laaaangen Motorhaube, dem knappen Passagierabteil, den schwellenden Schwüngen der Kotflügel bringt den Jaguar E-Type umgehend in die Designsammlung des New Yorker MOMA. Eine der schärfsten Formen der Swingin’Sixties: Die Verbindung von offenbarer Sinnlichkeit und unendlicher Kraft, die als Versprechen darunter lauerte, das musste den Designern in Coventry erst mal einer nachmachen – und den mit diesem Design gesetzten Maßstäben gerecht zu werden, musste sich die Marke in der Folge auch ziemlich anstrengen…

 

Text: Dieter Begemann | Bild: Jaguar & Land Rover

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Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!

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