Begemanns Blog | Filmperlen: Wie klaut man eine Million? (1966) | Teil 3

Moral raus, Stil rein!

Film und Stil, das gehört zusammen: da gibt es zu nächst einmal die schnöde Form des Productplacements, das durch die ostentative Ausstattung der Filmfiguren mit bestimmten Produkten wie Autos, Kleidern, Uhren etc. diese per Assoziation anpreist. Das betreffende Markenlogo wird dabei immer wieder mal gern im Blickfeld der Kamera gebracht. Diese Penetranz nervt natürlich ziemlich. Aber in gelingenden Fällen ist der Zusammenhang tatsächlich schlüssig und, soweit man das von Stilfragen überhaupt sagen kann, auch logisch. Der Held von Wie klaut man eine Million – Nicoles Täterbeschreibung am nächsten Morgen gegenüber ihrem Vater: „tall, blonde, goodlooking…“ mit schwärmerischem Akzent schon im Tonfall! – und sein Vehikel verkörpern nämlich beide im Gleichklang den Traum der frühen Sixties: schick, markant, unkonventionell und rasant. Es geht vorwärts, und zwar unendlich! Der Held, der nicht mehr moralische oder Verhaltenscodices vorlebt, sondern vor allem Stilträger ist, das ist ohnehin ein Phänomen, das sich in dieser Zeit in vielen Filmen zeigt, von frühen James Bond-Streifen bis zu Sergio Leones Dollartrilogie. Letztere steht übrigens auch demnächst auf dem Programm von Begemanns Blog…

Aber zurück nach Paris: Unsere beiden sitzen also im Auto und als Adresse gibt der vermeintliche Einbrecher seiner verblüfften Chaufferin (nein, im E-Type muss man sagen: Pilotin) ausgerechnet das „Ritz“ an. Auf ihre erstaunte Reaktion hin fragt er zurück: Wie, sie kenne als Pariserin doch sicher das berühmte Hotel? Dieses haarscharfe Daneben in der Kommunikation ist in Wylers ganzen Film zu beobachten; die Dialoge geben beiden Darstellern wunderbare Steilvorlagen, komödiantisches Feuer zu entfachen! So richtig genießen kann man die allerdings erst – das gilt selbstverständlich für nahezu jeden Film – in der Originalsprache, denn gute Schauspieler haben eigentlich immer gute Stimmen und im Idealfall solche, denen zuzuhören in Timbre und mitschwingenden Untertönen ein richtiger Genuss ist! Der originale Filmtitel How to Steal a Million setzte sich übrigens ursprünglich noch fort mit: and Live happily ever after! Ob das den Verantwortlichen nun nur zu lang oder moralisch doch zu fragwürdig war, lässt sich nicht mehr genau sagen…

Ankunft also am Ritz an der Place Vendome: Aus dem Zimmer Peter O’Tooles, äh, aus Simon Dermotts Zimmer sieht man übrigens vor dem Gebäude jene fatale Säule, deren Sturz während der Pariser Commune, knapp hundert Jahre vor dem Filmdreh, dem Maler Gustave Courbet in Rechnung gestellt werden sollte, eine (ruinöse) Beschuldigung, der sich der Künstler nur durch Flucht in die Schweiz entziehen konnte, was aber eine andere Geschichte ist…

Text: Dieter Begemann

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Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!

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