SÜD:ART | Jonas Opperskalski – Goodbye Mr. President

SÜD:ART 28.03.2016

Das Stadtmuseum München zeigt vom 18. März – 22. Mai 2016 in seiner aktuellen Kabinettausstellung dokumentarische Arbeiten des jungen Fotografen und Filmemachers Jonas Opperskalski.

Ein Pferd steht vor verfallenen Häusern in einer für palästinensische Fahrzeuge gesperrten und vom israelischen Militär kontrollierten Straße in Hebron. Hebron, Westjordanland, 14.02.2014 (Foto: © Jonas Opperskalski)
Ein Pferd steht vor verfallenen Häusern in einer für palästinensische Fahrzeuge gesperrten und vom israelischen Militär kontrollierten Straße in Hebron. Hebron, Westjordanland, 14.02.2014 (Foto: © Jonas Opperskalski)

Opperskalski wurde 1988 in Kaufbeuren geboren, studierte in München und Aarhus, Dänemark und lebt seit 2010 in Tel Aviv-Jaffa, Israel. Seine dokumentarischen Fotografien geben uns einen intimen Einblick in den Alltag seiner neuen Heimat. Israel, Palästina, der Balkan – räumliche und soziale Enge spiegelt sich in seinen Beobachtungen wider. Jedoch nicht als ein Exodus-Projekt, welches durch religiöse, politische oder territoriale Zwänge klaustrophobische Erscheinungen darlegt, vielmehr geht es um die parallele Existenz von scheinbar unüberwindbaren Differenzen. Was prägt uns? Was unterscheidet uns? Was verbindet uns? In seinem Bildzyklus „The 12 Million“ setzt Opperskalski eine Art Bildtypologie des Menschen um, die sich auf die inoffizielle Einwohnerzahl von Israel und Palästina bezieht. Dabei liegt sein Fokus auf der Vielfalt dieser Region, die durch Kategorisierungen oder auch „Schubladendenken“ uns zwingt in Hierarchien und Positionen zu leben und, vor allem zu glauben. Unweigerlich erinnert man sich an die systematische Einteilung des Menschen wie sie im 19. und 20. Jahrhundert als Rassentheorie vertreten wurde. Die Profilporträts werden durch weitere Aufnahmen ergänzt, die persönliche Wertsachen/Gegenstände sowie aufgeschriebene Lebensgeschichten abbilden. Auf diese Weise wird der Blick auf das Äußere relativiert. Jene Klassifizierung wird durch ihre eigene Darstellungsmethode der Einschränkung, der Polarisierung wieder aufgehoben.

Im folgenden Fotoessay „Goodbye Mr. President“ treffen Momente der verspielten Freude und verträumten Gelassenheit auf kuriose und unwirklich wirkende Lebenssituationen. Kinder rauchen an Purin, einem jüdischen Feiertag. Junge israelische Soldatinnen liegen lachend und unbeschwert auf der Wiese, während sie ihren Dienst ableisten müssen. Trotz fester Rahmenbedingungen und der sozialen Verpflichtungen findet sich eine flexible Fläche, die im aufgeklärten Sinne eine Freiheit symbolisiert. Diese Freiheit, die oftmals als Synonym für die westliche Gesellschaft steht, ist auch ein Themenschwerpunkt in seiner Filmstillprojektion „Journey into the unknown“. Opperskalski begleitet über Monate eine Roma Familie aus Mazedonien, die auf der Suche nach Integration und Wertschätzung zunächst nach Schweden und dann nach Deutschland auszuwandern versucht. Doch ein endgültiger Ausweg bleibt ihnen verwehrt – ihre Reiise führt sie zurück zum Ursprung ihres Leids, der Diskriminierung und der daraus folgenden Armut. Nur für einen kurzen Moment durfte die Familie die Privilegien der Akzeptanz und sozialen Umsicht erfahren. Was übrig bleibt ist eine noch größere Sehnsucht, die nun einen empirischen Vergleich hat. Der hoffnungsvolle Traum wurde durch die unerträgliche Schwere der Realität abgelöst.

Ein dokumentarisches Projekt, das uns nicht durch eine nüchterne Berichterstattung auf Distanz hält, sondern mit der gleichen Wucht des Gefangenseins emotional einzufangen weiß.

 

Text: Tamara Branovic | Bild: Münchner Stadtmuseum
Externer Link: Münchner Stadtmuseum

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