Artsplash | Witzige Politsatire: Mein Praktikum in Kanada

Artsplash 27.05.2016

Mein Praktikum in Kanada, Regie: Philippe Falardeau (© Arsenal Filmverleih) mit Irdens Exantus (Bild) als Souverain Pascal

Wer längere Zeit in Kanada war, macht schnell Bekanntschaft mit den Befindlichkeiten der jeweiligen Landstriche. Nicht zu vergessen, dass das Land zwei Amtssprachen hat: englisch und französisch. Ebenso schwer wiegt die Tatsache, dass die Natives – früher hießen die mal Indianer – sich nicht mehr unterbuttern lassen. Der perfekte Stoff für eine herrliche schräge Politsatire made in Canada.

Mein Praktikum in Kanada, Regie: Philippe Falardeau (© Arsenal Filmverleih) mit  Patrick Huard (Bild) als Steve Guibord
Mein Praktikum in Kanada, Regie: Philippe Falardeau (© Arsenal Filmverleih) mit Patrick Huard (Bild) als Steve Guibord

Der ehemalige Profi-Eishockeyspieler Steve Guibord (Patrick Huard) repräsentiert das riesige Gebiet Prescott-Makadewá-Rapiedes-aux-Outardes als parteiloser Abgeordneter im Parlament von Nord-Quebec. Eines Tages sitzt Souverain Pascal (Irdens Exantus) aus Haiti in seinem Büro über einen Dessous-Laden, der bei ihm ein Praktikum machen möchte. Der Abgeordnete wundert sich, warum Souverain unbedingt in einer Gegend wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, ein Praktikum machen möchte. Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen, er war der einzige der ihm geantwortet hat. Steve, der ein herzensguter Kerl ist, nimmt den couragierten Haitianer bei sich auf. Schnell hat sich Souverain in die Steves Tochter Lune (Clémence Dufresne-Deslières) verguckt.

Die erste Tour des Praktikanten soll nach Chute-á-Philémon gehen, wo der Abgeordnete zu einer Feierlichkeit erwartet wird. Doch die beiden werden da nie angekommen, denn die Straße ist gesperrt. Die Bürgermeisterin (Micheline Lanctot) des Ortes hat da nicht viel Verständnis. Derweil versucht Steve die Streitigkeiten zwischen den Natives, die gegen das Abholzen des Waldes sind und den Holzfällern zu schlichten. Mit einem Teilerfolg. Allerdings gerät sein ruhiges Leben aus den Fugen, denn plötzlich ist im Parlament seine Stimme gefragt, da eine Abgeordnete im Krankenhaus liegt. Die Angelegenheit ist ziemlich heikel, denn es geht um die Abstimmung, ob Kanada sich am Krieg im Nahen Osten beteiligen soll. Als sich der Politiker zu einer Entscheidung durchgerungen hat, kommt er aus seiner Gegend nicht raus, denn die Straße ist – mal wieder – gesperrt. Steve, der panische Flugangst hat, muss den wohl größten Schritt seines Lebens wagen.

Mein Praktikum in Kanada, Regie: Philippe Falardeau (© Arsenal Filmverleih)
Mein Praktikum in Kanada, Regie: Philippe Falardeau (© Arsenal Filmverleih)

„Mein Praktikum in Kanada“ in der Regie von Philippe Falardeau ist herrlich gespickt mit Anspielungen, so dass ich daran meine helle Freude in der Pressevorführung in Leipzig hatte. Vor allem, dass jemand ausgerechnet aus Haiti im kalten Kanada sein Praktikum machen will, ist mehr als aberwitzig. Zumal Souverain ein heller Kopf ist und den manchmal einfältig wirkenden Steve grandios unter die Arme greift. Heimlich skypt er mit seiner zahlreichen Sippe in Haiti.

Neben dem Humor kommt die Ernsthaftigkeit nicht zu kurz, ohne aufdringlich zu wirken. Richtig böse ist allerdings das Ende des Films, denn die erkrankte Politikerin, deren Stimme entscheidend ist, wird fast halbtot im Parlament als abstimmfähig der Öffentlichkeit im Rollstuhl vorgeführt. Doch damit nicht genug. Als Steve endlich in Chute-á-Philémon mit dem Bäumchen, dass er dem Ort schenken will ankommt, präsentiert sich die Bürgermeisterin als seine Herausforderin im anstehenden Wahlkampf. Was genial gelöst ist, wie die Gegend verortet wird, damit der Zuschauer weiß, wo sich die beiden gerade aufhalten.

Die kanadischen Filmemacher sind bekannt dafür, sehr außergewöhnliche kreative Filme zu machen, die leider viel zu selten den Weg in die deutschen Kinos finden. Einer meiner Lieblingsfilme ist „Vic und Flo haben einen Bären gesehen“ von Denis Coté, der 2013 auf der Berlinale im Internationalen Wettbewerb lief. Der ist konsequent bis zum bitteren Ende.

 

Text: Nadja Naumann | Bild: Arsenal Filmverleih
Externer Link: Mein Praktikum in Kanada
Filmstart: 26.5.2016

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