Artsplash | Buschs neue Sicht auf Menzel

Artsplash 06.06.2016

Cover von Werner Busch, Adolph Menzel. Auf der Suche nach der Wirklichkeit, 2015

Meine erste Begegnung mit dem Maler Adolph Menzel hatte ich als Kind. Ich bin mit „Das Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci“ groß geworden, das als Druck aus dem Familienbesitz väterlicherseits stammte. Es sollte für mich wegweisend werden, denn das Bild vermittelte mir einen Zugang zur klassischen Musik und weckte meine Neugier für Sanssouci. Und es gab noch ein anderes Bild, das mich in der Schule im Kunstunterricht jahrelang begleitete: „Das Eisenwalzwerk“, das nur allzu gut in das Unterrichtskonzept des Arbeiter- und Bauernstaates – sprich DDR – wie die Faust aufs Auge passte. Somit wuchs ich mit zwei Bildern von ein und demselben Maler auf, die nicht unterschiedlicher hätten sein können. Auf der einen Seite ein in warmes Kerzenlicht gehüllter Salon mit schön gekleideten Menschen, deren Parfum man förmlich riechen kann und auf der anderen Seite eine düstere Fabrikhalle mit schwer arbeitenden Männern, die vom Schein des geschmolzenen Eisen angestrahlt werden und automatisch hat man den Geruch von Schweiß und Rauch in der Nase. Die Schulzeit war vorbei und Adolph Menzel entschwand aus meinem Leben, bis zum Frühjahr diesen Jahres.

Ich liebe die Verleihung des Preises der Leipziger Buchmesse, der seit März 2005 in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung verliehen wird. In diesem Jahr weckten gleich zwei der fünf nominierten Bücher mein Interesse: Ulrich Raulff „Das letzte Jahrhundert der Pferde. Geschichte einer Trennung“ und Werner Busch „Adolph Menzel. Auf der Suche nach der Wirklichkeit“, die beide im Verlag C.H. Beck erschienen sind. Gewonnen hat zwar Jürgen Goldstein mit „Georg Foster. Zwischen Freiheit und Naturgewalt“, aber der Menzel und die Pferde hatten es mir schlagartig angetan.

Man könnte der Meinung sein, über Adolph Menzel sei schon alles erforscht und doch gelingt Werner Busch ein wunderbares Buch, das sich daran wagt, das Werk Menzels zu hinterfragen und zwar in Bezug auf den Menschen Menzel. Der Autor legt sein Augenmerk auf die Kleinwüchsigkeit des Künstlers und ob sie ihn in seinem Schaffen beeinflusste. Zugegeben ein gewöhnungsbedürftiger Ansatz, denn an jedes Bild des Malers eine biografische Geschichte zu hängen ist sicherlich spannend, auf der anderen Seite steht jedes Werk eines Künstlers für sich. Und doch gelingt Werner Busch dieser bemerkenswerte Spagat und wirft ein neues Licht auf das Gesamtwerk des Künstlers, dessen hohe künstlerische Begabung früh vom Vater gefördert wurde.

Adolph Menzel (1815 – 1905)  war 16, als er mit dem unerwarteten Tod des Vaters konfrontiert und schlagartig erwachsen wurde. Von diesem Moment an lernte er früh die Härten des Lebens kennen, die stark sein künstlerisches Schaffen beeinflusste. Nüchtern zeigen seine Arbeiten die Wirklichkeit. Werner Busch widerlegt sanft und fundiert die kunsthistorische These, dass Menzel in seinen Werken alles objektiv festgehalten habe.  Es war Menzels eigenes Empfinden, was er zeichnerisch zu Papier brachte, wie beispielsweise die Gerüstzeichnungen. Nicht spurlos gingen seine drei Parisreisen 1855, 1867 und 1868 an ihm vorüber, denn die Metropole an der Seine veränderte dank des Stadtplaners Haussmann ihr Gesicht. Alte Wohnviertel wurden abgerissen, um Platz für eine geradlinige Struktur und Neugestaltung der Stadt zu machen. Schritt für Schritt vermittelt der Autor dem Leser, dass die Forschung es sich zu einfach, zu pauschal beim Zugang zu Menzels Werk macht und man folgt seinen wohl überlegten und gründlich recherchierten Ausführungen mit großer Freude. Das reich bebilderte Buch zieht einen regelrecht in den Bann und hat mich restlos begeistert.

Werner Busch „Adolph Menzel. Auf der Suche nach der Wirklichkeit“
2015, 304 S.: mit 167 Abbildungen. In Leinen
58 Euro
ISBN: 978-3-406-68090-8

 

Text: Nadja Naumann | Bild: C.H.Beck
Externer Link: C.H.Beck

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