Norbert Thomas. Kein Zufall

16.7. – 21.8.2016 | Museum im Kulturspeicher Würzburg

Die Geometrie war nie aus dem Rennen. Ihre Verwendung war seit den bahn-brechenden Neuerungen der Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts essentiell. Konstruktivismus, de Stijl und Bauhaus bedienten sich der Unterstützung dieses mathematischen Gebiets für ihre Kunst, doch schien es, als hätten Entwicklungen wie Expressionismus und, nach dem Zweiten Weltkrieg, Tachismus und Informel diese mathematische Struktur als sichtbare Basis der Kunst verdrängt.

Tatsächlich jedoch hat sie sich bis heute als Grundlage in der Kunst neben vielen nicht-geometrischen Strömungen behauptet, ohne als „Mainstream“ zu gelten. Denn nach wie vor widmen sich Künstler beharrlich der Frage, wie sich Form und Farbe mit Hilfe von Spiegelung, Drehung oder Verschiebung, von Folgen und Reihen und anderen mathematisch inspirierten Verfahrensweisen spannungsvoll in Szene setzen lassen.

Norbert Thomas steht in der Tradition dieser Kunst, die er auf eigenständige Weise neu interpretiert. Ganz im Sinne der Konkreten Kunst ließ der 1947 in Frankfurt/Main geborene Künstler das Naturvorbild außer Acht und konzentrierte sich rein auf die Gestaltung der Relation von Formen und Farben im Bild.
Nach der Auseinandersetzung mit einer vertikal-horizontalen Grundordnung unter-suchte er die Winkelbeziehungen auf der Fläche als Innen- und Außenformen.
Als Bildformat interessierte ihn vor allem das Quadrat, das in seiner Gleichseitigkeit vielfache ästhetisch überzeugende Gliederungen erlaubt.
Um zu Quadratteilungen zu kommen, zog Norbert Thomas sehr bald Zufallsverfahren zu Hilfe. Dies macht er bis heute. Er setzt hierzu unter anderem Zahlenkärtchen ein, die, zufällig gezogen, für Verfahrensregeln der Verstärkung von Linien, Drehung von Quadrateckpunkten, Addition von Strecken, Wahl von Farben etc. stehen. Der Reiz dieser Methode liegt darin, dass die Einbeziehung des Zufalls paradoxerweise die künstlerische Arbeit objektiviert und zugleich dem Unerwarteten Raum gibt.

Norbert Thomas untersucht auch, was „übrig bleibt“, wenn mehrere Quadrate über-einander geschoben und nur ihre Zwischenräume ausgeführt werden.
„Innenformen 2012“ ist hierfür ein sprechendes Beispiel, das die Geometrie „auf die Spitze“, treibt und demonstriert, wie viel gestalterische Freiheit die Anwendung stren-ger Prinzipien erlaubt. Denn in seiner scheinbar regellosen Form, die der Ortho-gonalität ein „Schnippchen schlägt“, erreicht dieses mehrteilige Werk die Anmutung spielerischer Leichtigkeit und heiterer Anarchie und scheint sich schwebend von der Wand zu lösen. Ohne das konkret-konstruktive Feld aufzugeben, lässt Norbert Thomas hier die Tradition seiner geistigen Väter hinter sich. Die Arbeit zeigt auch, dass Kunst ohne Intuition nicht zu haben ist, eine Intuition, die sich allerdings aus systematischer künstlerischer Erfahrung speist.

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit der Von der Heydt-Kunsthalle Wuppertal.

Text: Museum im Kulturspeicher Würzburg | Foto: Museum im Kulturspeicher Würzburg
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