GERHARD HADERER – Think Big!

28.2. – 20.11.16 | Karikaturmuseum Krems

Das Karikaturmuseum Krems, Österreichs einziges Haus für Karikatur, Satire, Comic und Cartoon, präsentiert den Star-Karikaturisten Gerhard Haderer (geb. 1951) in seiner bislang umfassendsten Ausstellung, die auch eine exklusive Weltpremiere bringt: Neben rund 200 hochkarätigen Arbeiten – darunter viele bekannte und berühmte Cartoons aber auch bis dato unveröffentlichtes Material sowie zahlreiche Skizzen – werden nun erstmals sechs großformatige Ölbilder aus der Feder bzw Pinsel von Gerhard Haderer der Öffentlichkeit vorgestellt. Hier trifft Haderer auf Caravaggio, verarbeitet Satire in malerischer Anmutung und Opulenz, ganz in der Manier der Alten Meister.

„Gerhard Haderer hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in die Top-Liga der wichtigsten und bekanntesten Karikaturisten im deutschsprachigen Raum gezeichnet“, betont Gottfried Gusenbauer, Direktor und Kurator am Karikaturmuseum Krems, und fügt hinzu: „Der Künstler feiert heuer seinen 65. Geburtstag, für uns gibt es also mehrere gute Gründe sein qualitativ hochwertiges OEvre mit einer
umfangreichen Werkschau zu würdigen.“

Bis 1984 war ich als Grafiker und Illustrator für Werbeagenturen tätig. Als Zeichner hatte ich mir über all die Jahre eine ziemlich raffinierte, fotorealistische Maltechnik antrainiert, die in der Werbebranche sehr begehrt war, da es damals Photoshop noch nicht gab. Die Inhalte all der ach so attraktiven Konsum-Werbebotschaften habe ich zusehends verachtet, und so kam ich auf die Idee, genau diese schöne bunte verlogene Werbewelt zeichnerisch aufs Korn zu nehmen. So sind, ohne Auftrag, meine ersten Blätter entstanden. Eine kleine Salzburger Satirezeitung, der ‚Watzmann‘, druckte sie ab.
(Gerhard Haderer im Gespräch mit Gottfried Gusenbauer, 2015)

Seit 1985 zeichnet der Oberösterreicher pointierte und treffsichere Cartoons, zunächst für das
Nachrichtenmagazin profil, dann für den Wiener, die Satirezeitschrift Titanic, GEO, trend, die Oberösterreichischen Nachrichten und seit 1991 für das deutsche Wochenmagazin Stern. Gerhard Haderers beruflicher Ausgangspunkt in der Werbegrafik spiegelt sich in seinen Cartoons wieder: Exakter Bildaufbau, Optimierung der Farbeffekte durch Einsatz von Kalt-Warm-Kontrasten, gezielte Licht- und Blickführung erzeugen Hochglanzzeichnungen. Haderer bevorzugt Acryltusche, mischt seine Farbtöne aus den Primärfarben und beschränkt sich oftmals auf die bloße Wiedergabe seiner Figuren, Haderer hält tagesaktuelle Ereignisse der ganzen Welt, Alltagsgeschehen, Politik und Religion, Sport, Freizeit und vor allem aber die Auswüchse unserer Gesellschaft sarkastisch fest,
teilweise auch mit tragisch-komischen Elementen.

Mein Verhältnis zu österreichischer Politik und ihren Lichtgestalten, den Damen und Herren Politikern, hat sich im Laufe der Jahre verändert. 1984, als ich begann, war Fred Sinowatz Bundeskanzler, ein großartiges Angebot an alle Karikaturisten, das man, aus rein zeichnerischen Gründen, nur schwer ablehnen konnte. Ich gestehe: Lange Zeit war Fred Sinowatz, mit einem köstlich hilflosen Norbert Steger in einer Regierungskoalition, meine absolute Lieblingsfigur. Mein bester Mitarbeiter sozusagen, was Cartoon-Ideen betrifft. Allerdings hat mich des Kanzlers Aussage, es sei alles sehr kompliziert, nachdenklich gemacht. Denn wo er Recht hat, hat er Recht. So begann ich mich weniger für die handelnden Personen zu interessieren, sondern mehr für die Umstände, die unsere Politik beeinflussen. Deshalb gibt es relativ wenige Politiker-Karikaturen von mir, aber viele Zeichnungen über Menschen wie dich und mich, über das gemeine Volk sozusagen, weil wir schließlich alle für den Zustand unserer Gesellschaft verantwortlich sind. (Gerhard Haderer im Gespräch mit Gottfried Gusenbauer, 2015)

Unter dem Künstlernamen „Hades“ hat Gerhard Haderer in den vergangenen 30 Jahren über 1. 000 Cartoons zum politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben Österreichs gezeichnet. Haderer will sich nur allzu gerne in politische und in gesellschaftliche Bereiche einzumischen. So stochert er in den Innereien unserer Welt, reißt Fassaden nieder und bringt das auf den zeichnerischen Punkt, was er genau beobachtet: den alltäglichen Wahnsinn! Gerhard Haderers Think Big! macht mobil gegen Verschwendungssucht, Umweltzerstörung und Größenwahn. Seine meisterhaft ausgeführten Arbeiten sind klare Aussagen gegen Menschenhatz und politische Gedankenlosigkeit. Haderers geniale Cartoon halten der Gesellschaft einen Spiegel vor und entlarven Missstände und Allmachtsfantasien. Gezeichneter Humor als Abrechnung mit Tabus und Doppelmoral, aber auch als Chronik vergangener Jahre mit all deren Höhepunkten, Widrigkeiten und Skandalen.

Als besonderes Highlight der Schau und auch dem Titel Think Big! folgend, werden erstmalig Haderers großformatige (180 x 250 cm) Ölgemälde präsentiert. Haderer studierte dafür die Gemälde des italienischen Malers Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571-1610), der um 1600 mit seinen Bildern Aufsehen erregte. Die Enthauptung Johannes des Täufers (1608) und Der Heilige Hieronymus (1606) inspirierten Haderer zu seinen Ölgemälden Jesus im Vatikan (2015) und Das Attentat (2015). Wie bei den Alten Meistern spielen Komposition und Lichtführung eine große Rolle, lassen aber Kritik, Spott und Hohn noch eindringlicher wirken. Die Gemälde leiten auch die einzelnen Themenräume und Schwerpunkte der Ausstellung ein: Österreichische Innen- und Außenpolitik, Kritik an der Kirche und die große Bandbreite an gesellschaftspolitischen Cartoons. Vor allem die Auseinandersetzung mit den kirchlichen Würdenträgern inspiriert Haderer bis heute zu aktuellen Arbeiten zu Kirche und Papst. Zusätzlich werden wieder Originale aus dem Schlüsselwerk österreichischer Karikaturgeschichte gezeigt: Das Leben des Jesus. Als sein Buch 2002 erschien löste es heftige Reaktionen insbesondere der katholischen Kirche aus. In Griechenland gab es nicht nur eine geteilte Zustimmung oder Ablehnung, er wurde, wegen Beschimpfung einer Religionsgemeinschaft, in Abwesenheit zu sechs Monaten Haft verurteilt. Erst im zweiten Prozess erfolgte der Freispruch.

Mein Buch ‚Das Leben des Jesus‘ hat einen Skandal ausgelöst, der mich völlig überrascht hat. Niemand konnte vorhersehen, dass diesem schmalen Bändchen ein derartiger Aufschrei folgen würde, der von der absurden Forderung nach Entschuldigung über Aufrufe zum Verlagsboykott bis zu einem Gerichtsverfahren in Athen reichte, das allerdings mit einem Freispruch endete. Mein großer Kollege Manfred Deix fand diese Aufregung für völlig überzogen. Nicht nur, weil er jahrelang zuvor wesentlich Schärferes zum Thema Kirche gezeichnet hatte, sondern auch, weil er der Meinung war: ‚Der Haderer ist ja ein Jesus- Fan‘. Stimmt genau. Denn ich habe da so eine infantile Erinnerung an die Legende von einem sehr begabten jungen Mann, der vor langer Zeit einige kluge Gedanken für ein friedliches Zusammenleben der Menschen formuliert hat. Aber mit dieser Kirche, die sich seit 2015 Jahren auf ihn beruft, die von einer Absurdität in die andere taumelt, kann ich halt nichts anfangen. Dieser Gegensatz zwischen Ideal und Realität ist das Thema meines Buches. Der neue Papst in Rom sieht das offensichtlich ähnlich, das finde ich äußerst sympathisch. Vielleicht werde ich wieder in diesen Verein eintreten, aber derzeit warte ich noch ab. Bis eine Päpstin die Kirche regiert. (Gerhard Haderer im Gespräch mit Gottfried Gusenbauer, 2015)
Darüberhinaus zeigt das Karikaturmuseum Krems Haderer als Buch-Illustrator in Zusammenarbeit mit namhaften Autoren und als Schöpfer vom Comic Schundheftl MOFF. Eine wichtige Spielart seiner Humor-Kunst ist, dass er neben der sprachlichen Ebene auch auf die spontane Umsetzung seiner Ideen
Wert legt. Viele dieser schnellen Handzeichnungen finden sich danach auch als großformatige Farbcartoons ausgeführt, oder sogar als Ölgemälde – wie in seinem jüngsten Werk. Seit einigen Jahren arbeitet Gerhard Haderer als Zeichner und Autor an der Schnittstelle zu Kabarett und Theater. Nach Haderers Entwürfen werden in der Puppenwerkstatt Schneider Handpuppen angefertigt, mit den genialen Stimmen der Kult-Satire-Truppe maschek unterlegt und mit dem abgründigen Puppenspiel vom Original Wiener Praterkasperl aus dem Rabenhof Theater Wien kombiniert. Das Ergebnis ist eine geniale Mischung von österreichischer Zeitgeschichte und Puppentheater. Eine exquisite Auswahl dieser Handpuppen ist in der Ausstellung zu sehen. Aber auch eine gezeichnete Bildgeschichte, die Graphic Novel Herr Novak, wurde von Haderer als Theaterstück adaptiert, inszeniert und in Szene gesetzt mit dem kongenialen Schauspieler Ferry Öllinger.

Gerhard Haderer will sein politisches Engagement weitergeben, dafür gründete er die „Schule des Ungehorsams“ in der Tabakfabrik in Linz. Es ist ein “Ermutigungsprojekt” gegen die allgemeine Politikverdrossenheit und eine Schule gegen “Denkfaulheit”. Alles in allem ist Think Big! eine opulente und repräsentative Werkschau Gerhard Haderers mit rund 200 hochkarätigen Arbeiten. Original Cartoons, sechs großformatige Ölgemälde sowie viele weitere Skizzen, Vorstudien, Bücher, Trickfilme und Videos belegen die Vielseitigkeit des Künstlers. Mit einem umfassenden Vermittlungsprogramm ist die Ausstellung ein großes Statement gegen den täglichen Größenwahn, gegen Menschenhatz und politische Gedankenlosigkeit. Think Big!, eben!

 

Text: Karikaturmuseum Krems | Foto: Karikaturmuseum Krems
Externer Link: Karikaturmuseum Krems

 

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