Nachdenken über Resonanzböden Christofer Koch in der Kunsthalle Schweinfurt

29.4. – 23.10.16 | Kunsthalle Schweinfurt

Auf der diesjährigen ART KARLSRUHE war es so gut wie unmöglich, dem Gemälde von Christofer Kochs „Ins Leben stellen“ in Halle 2 auszuweichen, weil es einen mit seiner Rätselhaftigkeit sofort in den Bann zog. Wer das mit Öl, Tusche und Grafit gemalte Bild aus der Ferne betrachtete, sah, wie ein junger Mann scheinbar ein Modell eines Hauses samt Treppenaufgang in den Händen hält. Beim Näherkommen erkannte man die darin gestikulierenden Männer – es könnte sich auch um eine Halle handeln, in der der forschende Blick im Mezzanin und im Parterre arbeitende Personen ausmacht. Noch näher gekommen, scheint der junge Mann mit gesenktem Kopf mit den Fingern seiner linken Hand auf das Modellhaus zu zeigen, während die rechte mit der Wand des Hauses zu verschmelzen scheint. Schließlich merkt man, dass der junge Mann sein Hemd offen hält und sich das ganze Geschehen eigentlich in seinem Inneren abspielt: Nun ist es an der Zeit, das Gefühlte (und das Geträumte) „Ins Leben“ zu tragen, damit es alle sehen und auch verstehen.

Vage fühlt man sich an religiöse Gemälde der Frührenaissance erinnert mit ihren Goldstrahlen der Verkündigung, die ein unsichtbares Ereignis „Ins Leben“ tragen. So auch Fra Angelico (Museum San Marco, Florenz), dessen in goldenen Lettern geschriebene Sätze, die der Erzengel Gabriel Maria in Nazareth überbringt: ein Satz scheinbar dem Hirn, einer dem Mund und einer dem Herz der Mutter Gottes gewidmet – sie kündigen das unsichtbare Geschehen an. Ähnliches findet sich in dem komplexen Bedeutungsgeflecht der Bilder von Christofer Kochs. Seine Skulpturen sind dagegen stark reduzierte Körper, die aus beinahe monolithischen Strukturen von Linien und Flächen bestehen. Sie erinnern damit an manche Kunstwerke der christlichen Ikonografie.

Nichtsdestoweniger ist man damit noch weit davon entfernt, die ganze Komplexität von Bildserien wie „Ins Leben stellen“ zu erfassen, sind doch Kochs Figuren dem alltäglichen Leben entsprungen: Sie gehen, legen Parkettböden, halten inne. Doch was macht die Statue eines Staatsmannes, leicht schwebend über einem Boot auf einem See, in dem nichts „stimmt“: weder die Größe der Statue noch die der Häuser und der Boote?

Und wie ist es mit der Serie „Schnitt in die Welt“, in der es tatsächlich abrupt abgeschnittene Raumflächen gibt, als ob die Natur aus genau gestapelten Brettern sowie Abgründen bestünde? Währenddessen schreitet seine Figur zielstrebig in Richtung eines Punktes außerhalb des Gemäldes. Das Mysterium bleibt gewahrt.

Christofer Kochs fordert den Betrachter heraus, den von ihm mit leichter Hand skizzierten Bildgeschichten einen Sinn zu geben und dabei nicht bei den äußeren Merkmalen zu bleiben, sondern zu erfassen, wie die zunächst einfachen Räume und Figurendarstellungen zunehmend komplexer werden. Das ist es, was der 1969 in Osnabrück geborene und in Augsburg lebende Künstler unter „Resonanzboden“ versteht: Dass das von ihm Entworfene ein unendliches Echo beim Betrachter hervorruft und seine Imagination in Fahrt bringt.

Text: Dr. Milan Chlumsky | aus kunst:art 49 | Bild: Kunsthalle Schweinfurt

Christofer Koch. Resonanzboden
29.4. – 23.10.2016
Kunsthalle Schweinfurt
Rüfferstraße 4
D-97421 Schweinfurt
Tel.: +49-9721-514734
Di – So 10 – 17 Uhr, Do 10 – 21 Uhr
Eintritt: 5 €, erm. 3,50 €
www.kunsthalle-schweinfurt.de

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