Bildhauerei fürs 21. Jahrhundert Jeppe Hein im Lehmbruck Museum Duisburg

9.6. – 23.10.16 | Lehmbruck Museum

Eine Schnittstelle im Umbruch der Künste – Figürlichkeit versus abstraktes Forminteresse – markierte seinerzeit das Werk des Namenspatrons des Duisburger Bildhauermuseums. Heute, ein Jahrhundert später, finden wieder erhebliche Umwälzungen statt, nur fällt es schwer, da klare Richtungen auszumachen. Folglich zeigt das Lehmbruck Museum schon seit zwei Jahren unter dem Label Sculpture 21st in lockerer Reihung immer neue Positionen zeitgenössischer Bildhauerei. Oder, sollte man vielleicht allgemeiner, aber wahrheitsgemäßer, sagen: der Kunst in drei Dimensionen? Denn wenn auch jemand wie Anthony Gormley oder Johannes Brus, zwei der zuvor präsentierten Künstler, allein von der Materialverwendung her durchaus noch in den Kategorien der herkömmlichen plastischen Gestaltung zu fassen sind, so gilt das für Erwin Wurm oder gar Tino Sehgal keineswegs, verweigert Letzterer in seiner Arbeit doch jegliches fassbare und materiell konkret werdende „Werk“.

Gegenstand der jüngsten Präsentation ist Jeppe Hein. Er wurde 1974 in Kopenhagen geboren und studierte an der dortigen Königlichen Kunstakademie. Heute lebt der dänische Künstler auch in Berlin, wo er sich seit nun schon einigen Jahren eine ganz eigene Position im zeitgenössischen Kontext erarbeitet hat. Dafür greift er einerseits auf Elemente der kinetischen Kunst der 1960er Jahre zurück mit all ihren optischen Effekten und andererseits interessiert er sich vor allem für die gesellschaftliche Bühne, auf welcher Kunst stattfindet. Kunst, die still darauf wartet, bis sich ein Betrachter in ehrfürchtiger Kontemplation nähert, ist sein Sache nicht: Stattdessen fordert – und fördert – Hein die aktive Teilnahme. Im Grunde entstehen seine Werke erst so recht im rezeptiven Vollzug: Solange der Betrachter still steht, passiert gar nichts, erst bei dessen Annäherung stürzen plötzlich Wasserwände herab oder Düsen verspritzen das Nass. Man mag sich dabei erinnert fühlen an die Wasserscherze, die im 16., 17. Jahrhundert ein unverzichtbares Must der Gartenkunst waren … Tatsächlich sind auch Heins Arbeiten in hohem Maße unterhaltsam und amüsant!

Das beginnt im Lehmbruck Museum schon in der architektonisch markanten Eingangshalle, die in ihrer verglasten Transparenz das Museumsgebäude in den Park hinein öffnet und so die Grenzen von Innen und Außen verschwimmen lässt. Dort installiert Jeppe Hein als Intro für sein Werk sein Rotating Labyrinth (der Irrgarten, natürlich noch so ein Zitat alter Gartenkunst). Es handelt sich dabei um eine begehbare Rauminstallation, die aus zwei konzentrischen Kreisen besteht, die von verspiegelten Lamellen gebildet werden, in denen sich Raum und Besucher abbilden. Durch die Bewegung der Besucher wie der Spiegelelemente wird die Wahrnehmung ins Fließen gebracht, eine konstante Transformation findet statt, zumal innerer und äußerer Kreis sich in entgegengesetzte Richtung drehen. Die Interaktion wird so zum wesentlichen Teil der künstlerischen Arbeit Heins, und das wird wohl ganz allgemein ein wichtiger Zug der Bildhauerei des 21. Jahrhunderts ein.

Text: Dieter Begemann | aus kunst:art 49 | Bild: Lehmbruck Museum Duisburg

Jeppe Hein
9.6. – 23.10.2016
Lehmbruck Museum
Friedrich-Wilhelm-Straße 40
D-47051 Duisburg
Tel.: +49-203-2833294
Di – Fr 12 – 17 Uhr, Sa + So 11 – 17 Uhr
Eintritt: 9 €, erm. 5 €
www.lehmbruckmuseum.de

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