heikles erbe – koloniale spuren bis in die gegenwart

30.9.16 – 26.2.17 | Landesmuseum Hannover

Die Ausstellung »Heikles Erbe. Koloniale Spuren bis in die Gegenwart« geht den Spuren der deutschen Kolonialgeschichte nach und wirft mit Arbeiten zeitgenössischer Künstler aus Hawai´i zudem einen Blick auf die relativ unbekannte US-amerikanische Annexion der polynesischen Inselkette.

Zahlreiche faszinierende Zeugnisse anderer Kulturen in den völkerkundlichen Sammlungen Europas stammen aus der Kolonialzeit. Der Frage, ob diese kolonialen Spuren heute grundsätzlich ein heikles Erbe sind, wird in der Ausstellung anhand von über 300 Werken, zum Großteil aus der eigenen Sammlung, sowie Multimedia- und Videoinstallationen mit Interviews und historischen Filmbeiträgen nachgegangen.

»Unsere Schau ist eine der ersten großen ethnografischen Ausstellungen in Deutschland, die sich im Zusammenhang mit der Kolonialzeit mit der eigenen Sammlung auseinandersetzt«, so Dr. Alexis von Poser, Projektleiter »Heikles Erbe« und Kurator der Völkerkunde im Landesmuseum Hannover.

Erst nach 1884 unterhielt Deutschland Kolonien in Afrika, Ozeanien und China, die mit Ende des Ersten Weltkriegs aberkannt wurden. Die Ausstellung zeigt völkerkundliche Objekte aus den ehemaligen deutschen Kolonien. Sie wurden nach Europa gebracht, um kulturelle Unterschiede zu dokumentieren. Was hat die Sammler in den Kolonien fasziniert? Auf welche Weise sind die beeindruckenden Exponate erworben worden?

Hinter den Sammlungen stehen spannende Geschichten: Kolonialbeamte, Siedler, Reisende, Geschäftsleute oder Forscher haben sie auf vielfältige Weise erworben. Manche Stücke wurden gekauft oder eingetauscht, andere in Kampfhandlungen erbeutet. Die Ausstellung beleuchtet die unterschiedlichen Umstände ihrer Erwerbung und verfolgt den Weg der Objekte in das Museum. Von Hofkunst aus Kamerun über rituelle Tanzmasken aus Neuirland, Waffen von den Salomon-Inseln oder Musikinstrumente aus Westafrika – die außergewöhnlichen und teils erstmalig gezeigten Exponate zeugen von kultureller Vielfalt, der die Sammler auf ihren Reisen begegneten, und zeichnen ein differenziertes Bild einer vergangenen Epoche.

Als Stadt in der preußischen Provinz gehörte Hannover in den 1880er Jahren nicht zu den führenden Städten, was die Rolle und Bedeutung bei den deutschen kolonialen Bestrebungen betrifft. Die nachrangige Position machte die Stadt durch einen erhöhten Kolonialeifer wett. Kolonialakteure fanden sich in Straßennamen wie der Lettow-Vorbeck-Allee, der Nachtigalstraße und der Wissmannstraße. So kann durchaus von einer erhöhten urbanen Erinnerungskultur in Bezug auf die deutsche Kolonialzeit gesprochen werden. Dies wirkte sich auch auf den Umgang mit den völkerkundlichen Sammlungen aus den ehemaligen Kolonien aus.

Direktor Jacobus Reimers hat in seiner Amtszeit (1890 – 1910) versucht, durch direkte Kontakte zu den in den Kolonien tätigen Hannoveranern an Sammlungen zu kommen. Die so ans Provinzialmuseum (heute Landesmuseum) gelangten Objekte wurden von seinem Nachfolger Karl Hermann Jacob-Friesen in den 1930er Jahren in zwei großen Kolonialausstellungen gezeigt.

»Sammlungen, die wir in unseren Museen verwahren, verpflichten uns, diese zu erforschen und einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Für eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Herkunftsgeschichte ethnologischer Objekte sind wir gut beraten, Wissenschaftler aus den Herkunftsländern darin einzubeziehen. Diesen Weg hat das Landesmuseum Hannover mit seinem im vergangenen Jahr gestarteten wechselseitigen Kuratorenaustausch mit Museen in Eastern Cape, Südafrika, bereits eingeschlagen. Die aktuelle Schau leistet darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zur eigenen Sammlungsgeschichte“ so Dr. Annette Schwandner, Ministerialdirigentin im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur.

Die Ausstellung behandelt auch die Frage, wie und von wem Objekte gesammelt wurden. Die Sammler der Ethnographika kamen aus unterschiedlichen sozialen Schichten und waren in diversen Funktionen im kolonialen Netzwerk tätig. Wie die Stücke in deren Besitz gekommen sind, kann in spannenden Sammlerportraits nachvollzogen werden.

»Es geht uns in dieser Ausstellung nicht darum, im positiven oder negativen Sinne zu pauschalisieren, sondern einen differenzierten Blick auf unsere eigenen Sammlungen und ihre Herkunft zu werfen. Neben den vielen Schatten, die die Kolonialzeit bis heute wirft, gab es auch Begegnungen, die von gegenseitiger Hilfe und Unterstützung geprägt waren. So wollen wir mit dieser Ausstellung Besucher über die eigene Vergangenheit aufklären und anhand von charakteristischen Lebensläufen einen Einblick in die Krise einer Epoche geben, die wir heute als Fin de siècle bezeichnen«, so Prof. Dr. Katja Lembke, Direktorin des Landesmuseums Hannover.

Kolonialismus ist ein weltweites Phänomen, das bis in die Gegenwart Bestand hat. Zum Teil eigens für die Ausstellung entstandene zeitgenössische Werke einer Künstlergruppe aus Hawai’i setzen sich kritisch mit der postkolonialen Situation der Inselkette
auseinander. Die größtenteils erstmalig in Deutschland gezeigten Arbeiten zeugen von den Folgen der historischen Ereignisse,
die bis heute spürbar sind.

Der Audioguide zur Ausstellung wurde von Andreas Kebelmann und Robert Schmidt erstellt. Im Rahmen von einzelnen Hörspielszenen werden die verschiedenen Kolonialakteure in den Mittelpunkt gerückt. Als Sprecher konnten mit Vera Teltz und Oliver Nitsche zudem bekannte Hörbuch- und Synchronschauspieler gewonnen werden. Der Guide kann kostenlos an der Information entliehen werden.

 

Text: Landesmuseum Hannover | Foto: Landesmuseum Hannover
Externer Link: Landesmuseum Hannover

 

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