Schöpferin und Aktmodell – Carolee Schneemann-Retrospektive im MMK Frankfurt

31.5. – 24.9.2017 | MMK Museum für Moderne Kunst, MMK 1

 

von Julia Behrens //

Bevor die Amerikanerin Carolee Schneemann ihren nackten Körper 1963 in der Performance „Eye Body“ mit Farbe, Fett, Kreide, Seilen und Plastik in ihrem Atelier zum bewegten Bildmotiv erklärte, hatte sie schon viele Grenzen der Malerei überschritten. Jetzt experimentierte sie damit, die eigene Physis in das selbst erschaffene Tableau ihres mit diversen Arbeiten dekorierten Studios zu integrieren. Dabei fragte sich die 1939 in Philadelphia geborene Künstlerin: „Kann ich zugleich das Bild und die Bild-Erschafferin sein?“

Wie ihre Kunst derart in Bewegung geriet, zeigt ab Ende Mai eine große Retrospektive mit rund 260 Arbeiten aus sechs Jahrzehnten im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt. Kuratiert wird die Ausstellung „Carolee Schneemann. Kinetische Malerei“ von Sabine Breitwieser aus dem Museum der Moderne in Salzburg, wo die Schau bereits im Winter 2015/16 zu sehen war.

Noch im Teenager-Alter wurde die Künstlerin Mitte der 1950er Jahre vom Bard College im Bundesstaat New York suspendiert, weil sie sich in ihren Bildern selbst als Akt dargestellt hatte. Sie wechselte auf die Columbia University in New York, lernte wichtige Vertreter des Abstrakten Expressionismus kennen und übernahm einiges vom Gestus und Rhythmus dieser Richtung in ihre damals noch gegenständlichen Darstellungen. Die meisten dieser Bilder zerstörte sie wieder und formte aus den Resten Anfang der 1960er Jahre die ersten Assemblagen und Objekte. Schon jetzt zeigte sich bei Carolee Schneemann der Wunsch, die Malerei über die Leinwand hinaus in andere Dimensionen zu überführen.

Sie versetzte ein Bild mit einem simplen Mechanismus in Rotation oder bestückte bemalte Flächen und Kästen mit Alltagsgegenständen und fügte das Ganze mit Farbe zu sogenannten Painting Constructions zusammen. Immer wieder integrierte sie kinetische Elemente in ihre Arbeiten, wie auch bei „Fur Cutting Boards“ (1963), einer Installation aus Holzplatten, die sie in ihrem New Yorker Loft – einer ehemaligen Pelzschneiderei – gefunden hatte. Das raumgreifende Werk diente als Hintergrund für die anfangs erwähnte Fotoserie „Eye Body“ – mit Schneemann in der doppelten Rolle als Schöpferin und Aktmodell.

Die Amerikanerin nahm an zahlreichen Happenings von Künstlern wie Warhol, Rauschenberg und Oldenburg teil und arbeitete eng mit dem Judson Dance Theater zusammen. In ihrer skandalträchtigen Performance „Meat Joy“ von 1964 wurde sie zusammen mit einigen knapp bekleideten Männern und Frauen in fast orgiastischer, ritueller Weise unter Verwendung von Tierkadavern und Farbe einmal mehr zum lebendigen Bildträger. Kurz darauf hielt sie solche und ähnliche Experimente auch in selbst gedrehten Videos fest. Obwohl der Grundimpuls für ihre Arbeit immer auf der Auseinandersetzung mit der Malerei basierte, formulierte Schneemann mit dem emanzipierten Einsatz des eigenen Körpers ausgesprochen wichtige Fragen zur Rolle der Frau in der Kunst.

 

Text aus der kunst:art 55

 

Carolee Schneemann. Kinetische Malerei

31.5. – 24.9.2017

MMK Museum für Moderne Kunst, MMK 1

Domstraße 10, D-60311 Frankfurt am Main

Tel.: +49-69-21230447, Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20 Uhr

Eintritt: 12 €, erm. 6 €

www.mmk-frankfurt.de

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