Poesie der Verschiebung. Das Lehmbruck Museum und das MKM Museum Küppersmühle zeigen Erwin Wurm

7.7. – 29.10.2017, Wilhelm Lehmbruck Museum | 7.7. – 3.9.2017, MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst

 

von Ninja Elisa Felske //

 

Gekritzelte Handlungsanweisungen. Etwa: „Gegenstände nehmen und zwischen die Personen einklemmen“. Dazu saubere, kleine Handzeichnungen. Damit die beiden Personen auch genau wissen, wie sie die Objekte zwischen ihren beiden Körpern zu drapieren haben. Dann: flach atmen, sodass bloß nichts herunterfällt, und eine unbequeme, aber gewiss einprägsame Minute ausharren. Heute sind diese „One Minute Sculptures“ nur ein Aspekt, der die Kunst von Erwin Wurm (*1954) international bekannt gemacht hat. Weitere Arbeiten stets markanter Ästhetik rücken den Österreicher immer wieder ins Zentrum des Diskurses um den jetzigen Stand der Kunst und Skulptur.

Ab dem 7. Juli widmen nun das MKM Museum Küppersmühle und das Lehmbruck Museum Erwin Wurm eine gemeinsame Ausstellung in Duisburg. Sie wird mit Skulpturen, Fotografien, Wandarbeiten, Videos und Rauminstallationen umfassenden Einblick in das Œuvre des Künstlers geben. Rasch wird dem Besucher die Breite seines künstlerischen Spektrums klar.

Dennoch: Erwin Wurms skulpturale und installative Werke bilden den Nukleus seines Schaffens. Seien es seine „übergewichtigen“ Variationen sonst so schlank konzipierter Sportwagen, das „schmelzende“ Gebäude des New Yorker Guggenheim Museums oder ein Besuch im Narrow House; die Rezeption seiner Arbeiten verhandelt bekannte Muster alltäglicher Erfahrungen neu. Wer einmal das Narrow House, das auf 1,10m Breite geschrumpfte Elternhaus des Künstlers, durchwandert hat – eingezogenen Bauches, versteht sich –  findet sich genau in zentralen Spannungsfeldern der Kunst Erwin Wurms wieder: zwischen skurrilem Humor und dem scheinbar unabwendbaren Bruch ins Tragik-Komische sowie zwischen dem Altbekannten und der „Poesie der Verschiebung von Wertigkeiten“. Diese kommt zum Tragen, wenn der Künstler Formen verzerrt, wie die des plötzlich bizarr-adipösen Ferraris, oder Materialitäten umwertet, wenn er die eigentlich geläufige Oberfläche eines Sofas oder Handys scheinbar mürbe werden lässt, sodass sie einbricht oder Fußspuren sich darin einschreiben wie in weiche Butter. Verwirrung erklärt Erwin Wurm zur kreativen Strategie, sicher Geglaubtes wird faszinierend entfremdet.

Folglich sind es nicht nur die „One Minute Sculptures“, mit denen der Künstler den Skulpturbegriff neu verhandelt; auch wenn gerade ihr Konzept besonders prägnant Grenzen zwischen dem Rezipienten und dem Kunstwerk aufhebt. Das Ephemere überführen sie in die Musealität, und trotz der zahlreichen Variationen ist ihre Wiedererkennbarkeit hoch – sobald Besucher im Museum plötzlich zu zweit in einen übergroßen Pullover schlüpfen oder ein Ohr auf einen Sockel legen, um auf dem anderen Ohr eine Flasche WC-Reiniger zu balancieren.

Unerbittlich verschiebt Erwin Wurm das Altbekannte in ironische Abgründe, verschont weder die Perfektion gängiger Statussymbole noch die gutbürgerliche Enge seines eigenen Elternhauses: „Ich finde es spannend, was passiert, wenn man Alltagsgegenständen den Nutzwert entzieht“.

 

Text aus der kunst:art 56

Erwin Wurm
7.7. – 29.10.2017, Wilhelm Lehmbruck Museum
Düsseldorfer Straße 51, D-47051 Duisburg
Tel.: +49-203-2832630
Di – Fr 12 – 17 Uhr, Sa + So 11 – 17 Uhr
Eintritt: 9 €, erm. 5 €
www.lehmbruckmuseum.de

Erwin Wurm
7.7. – 3.9.2017, MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst
Innenhafen Duisburg, Philosophenweg 55
D-47051 Duisburg
Tel.: +49-203-30194811
Mi 14 – 18 Uhr, Do – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 6 €, erm. 4,50 €
www.museum-kueppersmuehle.de

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