Eine offene Situation. Anthony Caro in der Thomas-Schütte-Skulpturenhalle

10.9. – 17.12.2017, Thomas-Schütte-Skulpturenhalle

Anthony Caro, The Eye Knows, 2013. © Courtesy of Barford Sculptures Limited, Photo: John Hammond.

 

von Ninja Elisa Felske //

 

 

Eine Skulptur, die „in einem Raum so wichtig war wie eine Person” – dieses Ziel setzte sich der britische Künstler Sir Anthony Caro (1924-2013 in England), als er Ende der 1950er Jahre mit der abstrakten amerikanischen Malerei in Kontakt kam. Durch sie fühlte er sich zu der Suche nach einer abstrakten dreidimensionalen Formsprache inspiriert. Caro wandte sich damit ab von seinen figurativen, schweren Bronzeobjekten und redefinierte seinen künstlerischen Ansatz.

In der Skulpturenhalle der Thomas-Schütte-Stiftung nahe der Raketenstation Hombroich wird ab September ein Überblick über die Entwicklung seines Œuvres gegeben. Ein Œuvre, das heterogene Schaffensphasen aufweist und zugleich aus einer konstanten Arbeitsweise hervorgeht: Nie gab es bei Caro Entwürfe oder Vorarbeiten, er improvisierte unmittelbar am Werk, es erwuchs im experimentellen Dialog mit dem Material und dem umgebenden Raum.

Nach dem Erwerb eines Diploms für Ingenieurwesen studierte der Brite von 1947 bis 1952 Bildhauerei an der Royal Academy of Arts in London. Zu jener Zeit war die Akademie moderneren, abstrakten Kunstströmungen noch wenig zugewandt, was Caros anfängliche Beschäftigung mit der Figur erklären kann. Jene Figur, die im Zentrum der Geschichte der Skulptur stand, seit den antiken Statuen und mittelalterlichen Kirchenplastiken bis hin zu Künstlern wie Auguste Rodin und Henry Moore. 1966 sagte Caro über seinen abstrakten Ansatz: „Diese Art von Skulptur hat gänzlich zu tun mit der Art von Raum, den der Betrachter oder der Künstler, der sie herstellt, besetzt. Der Maßstab ist unser Maßstab, der Maßstab ist derjenige des Betrachters, und die Größe erhält eine andere Bedeutung.” Seine Skulptur begegnet der Person nun auf Augenhöhe – und ist ihr zugleich so unähnlich wie möglich. Caro schichtete in diesen frühen Werken standardisierte Materialien wie Stahlträger aufeinander, dekontextualisierte sie aus ihrer ursprünglichen Verwendung und kolorierte sie monochrom. Jedes Element hat die gleiche Bedeutung für das Ganze; die Skulptur ist nicht totemartig symbolisch aufgeladen, vielmehr erfordert sie die räumliche Erkundung durch den Betrachter. Im Laufe der Jahre wird Anthony Caros Arbeit immer bildhafter. Einen ersten Hinweis darauf geben die Maschengitter, mit denen er die in die Tiefe gestaffelten Elemente zuweilen zusammenfasst. Anstelle von gegebenen Materialien arbeitet er nun mit individuellen Formen und verändert die Skulptur in ihrem räumlichen Kontext, macht sie zur Bühne, auf der er Szenen präsentiert.

In Kenntnis der Arbeitsweise Caros wird der Besucher sich wundern über die zahlreich ausgestellten Modelle in der Neusser Ausstellung. Bei ihnen handelt es sich jedoch mitnichten um Vorstudien; vielmehr sind sie künstlerische Reflexionen bereits bestehender Werke, Inventar des bereits Geschaffenen und Erinnerung an Ausgangspunkte. Ihre für die Modell-Größe auffallende Perfektion mutet folglich an wie das formale Resümee der offenen Situationen in Anthony Caros experimentellem Schaffen.

 

Text aus der kunst:art 57

 

Anthony Caro
10.9. – 17.12.2017, Thomas-Schütte-Skulpturenhalle
Berger Weg 16, D-41472 Neuss/Holzheim
Tel.: +49-2182–8298520
Fr – So: 11 – 17 Uhr
Eintritt: 5 €, erm. frei
www.thomas-schuette-stiftung.de

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