Stillstand voraus! Was kulturpolitisch von einer SchwAmpel zu erwarten ist …

Ein Kommentar von Mathias Fritzsche

Nun gut, Kulturpolitik ist in der Hauptsache Ländersache. Und dennoch hat auch die Bundesregierung so einige Worte mitzureden. Das beginnt ganz formal – seit der Regierung Schröder I – mit dem Kulturstaatsminister, geht weiter über einige Gesetze, die in Bundeshoheit liegen (Umsatzsteuer, Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung etc.) und endet noch lange nicht bei den Bauvorhaben und kulturellen Förderungen. Und nun wird es wohl eine Jamaica-Koalition bzw. eine SchwAmpel sein, die uns kulturell erleuchtet. Was bedeutet das für die Kultur in Deutschland?

Das Beste vorweg: Das Wahlergebnis und die mögliche Koalition bedeuten in jedem Fall, dass es weiter das geben wird, was im Kopf Ewiggestriger als „Deutscher Übereifer“ herumschwabbert. Es wird weiter dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte Rechnung getragen, und sie wird auch weiter im Stadtbild sichtbar sein – auch wenn das so manchem nicht passt! Die Erinnerungskultur wird – zum Glück – nicht angetastet, da es keine „gebastelte Schuldvergangenheit“ ist, sondern eine tatsächliche. Und wer das nicht versteht, der relativiert die Geschichte und betreibt bösen Populismus. Auf eine zukünftige Regierung, auch wenn das vermutlich eine SchwAmpel sein wird, darf man jedenfalls diesbezüglich hoffen und zählen.

Doch es gibt noch weitere Themenfelder. Im Vorfeld der Wahlen hatten viele aus dem Kunsthandel ihre Hoffnungen auf die FDP projiziert, die sich doch deutlich gegen das „Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung“ artikuliert hat. Gar eine Anzeige mit dem indirekten Aufruf zur Wahl der FDP war zu entdecken, die Galeristen und Kunsthändler initiiert hatten. Das Ergebnis der Bundestagswahl ist jedenfalls nicht nur eine wiedergekehrte FDP, sondern sogar eine deutlich erstarkte liberale Partei. Man muss aber kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass das besagte Gesetz unangetastet bleiben wird. Möglicherweise wird an einigen Jahreszahlen, vielleicht auch an anderen Details minimal etwas verändert, doch wahrscheinlicher ist, dass man sich auf deutlich sichtbarere Vorhaben konzentriert. Immerhin – doch dabei ist die FDP in guter Gesellschaft mit allen anderen Parteien – ist es schon sehr, sehr lange her, dass die FDP sich qualifiziert, sprich öffentlich, über kulturpolitische Themen geäußert hat. Doch lassen wir uns überraschen!

Ein deutliches Signal, welchen Stellenwert die Kulturpolitik für die einzelnen Parteien hat, wird die Vergabe des Kulturstaatsministers selbst sein. Welche Partei wird diese Position beanspruchen, wer hat überhaupt jemanden mit ein wenig Expertise in seinen Reihen? Wenig überraschend wäre jedenfalls, wenn es weiter die CDU wäre, die für diese Personalie zuständig bliebe. Leider war es in der Vergangenheit immer eine Hypothek für das Amt, welche persönlichen Vorlieben der jeweilige Amtsträger hatte: War es eher Film (und damit eine Stärkung der Filmförderung) oder vielleicht doch Literatur? Eine Besetzung, die allen Sparten der Kultur gleichermaßen zugute käme, wäre ein echter Fortschritt, fast unabhängig von der Partei!

Ein wenig Sorge macht allerdings, dass bei einer SchwAmpel zahlreiche Sollbruchstellen existieren. Finanzen, Umwelt, Außenpolitik, Wirtschaftspolitik, Verkehrspolitik, Infrastrukturpolitik und so weiter … Jeder hat bei jedem dieser Komplexe unmittelbar Bilder im Kopf, was bei einer SchwAmpel an Konfliktpotenzial vorhanden ist. Da benötigt man schon sehr viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass ausgerechnet um Kulturpolitik inhaltlich gerungen wird. Lässt Lindner die Koalition platzen, weil die CDU das „Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung“ nicht verändern möchte? Schwer vorstellbar! Und genauso schwer vorstellbar ist aber auch, dass sich eine so unterschiedliche Konstellation im Bereich der Kultur auf neue Inhalte einigen kann. Und bevor das Klima zwischen den Parteien wegen wenig öffentlichkeitswirksamer Themen belastet wird, passiert da vermutlich eher gar nichts.

So manche Hoffnung ruht schließlich – auch hier wieder insbesondere beim Kunsthandel – auf der Absenkung der Umsatzsteuer beim Kunstkauf. Hier kommen gleich drei Problemfelder zusammen: Zum einen wird das wohl nicht ohne den Bundesrat möglich sein. Zum anderen ist fraglich, ob ein solches Ansinnen innerhalb der SchwAmpel zum Zuge kommt, würde das doch auch als Entlastung eher gut betuchter Haushalte gelten – ob berechtigt oder nicht. Außerdem ist sehr zu bezweifeln, dass finanzieller Spielraum besteht. Auch wenn es sich um einen vergleichbar kleinen Betrag handelt, so scheinen die zukünftigen Koalitionspartner derzeit sehr bemüht zu sein, den Fehlbetrag in der Kasse nicht noch größer werden zu lassen.

Bei manch einem Politikfeld darf man bei der SchwAmpel durchaus Hoffnung haben, dass auch Brauchbares dabei rumkommt. Bei der zukünftigen Kulturpolitik erscheinen mir allerdings derartige Hoffnungen sehr fraglich! Und bei Merkel war Kulturpolitik noch nie ein Chefthema – ganz im Gegensatz zu ihrem Vorgänger!

 

Kommentar aus der kunst:art 58

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