RevonnaH oder vorwärts Hannover. – Avantgarde und Moderne im Sprengel Museum

bis zum 7.1.2018 | Sprengel Museum Hannover

Christian Rohlfs, Birkenwald, um 1907. Foto: Herling/Gwose, Sprengel Museum Hannover.

 

von Paula Wunderlich //

 

Der skurrile Hannoveraner Kurt Schwitters, der nicht trotz sondern wegen seiner avantgardistischen Züge zu einem der prominentesten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts gelten darf, kreierte einst das Palindrom “revonnaH”, das nicht nur Hannover rückwärts gelesen ist, sondern darüber hinaus auch die drei Worte „re“ (also lat. zurück) „von“ und nah“ beinhaltet. Im Umkehrschluss der Wortschöpfung bedeutet Hannover daher im Schwitter’schen Sinne „vorwärts nach weit“ oder auch salopp formuliert: Go Hannover!

Eine etwas abstruse Herleitung vielleicht, aber nicht minder wahr, denn die Landeshauptstadt Niedersachsens ist eine aufstrebende Kulturmetropole – und das bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Nicht zuletzt Schwitters ist der künstlerische Input von Künstlern und Kunstschaffenden in Gestalt von El Lissitzky, László Moholy-Nagy und Theo van Doesburg, die er in die damalige Provinzhauptstadt lockte, zu verdanken. Und auch anderen Männern, wie dem ehemaligen Direktor des Kestner-Museums, Albert Gideon Brinckmann, dem damaligen Direktor Alexander Dorner des Provinzial-Museums – dem heutigen Niedersächsischen Landesmuseum – , dem Unternehmererben Herbert von Garvens, den Industriellen Fritz Beindorff der Firma Pelikan und Hermann Bahlsen, ist Hannover wohl zu Dank verpflichtet: Letztere etwa beauftragten Kurt Schwitters und El Lissitzky mit der Gestaltung von Werbung und Räumlichkeiten der jeweiligen Unternehmen.

Auch Dorner betraute El Lissitzky mit einer Raumgestaltung, allerdings der etwas anderen Art: Im Jahr 1927 errichtete der russische Künstler das „Kabinett der Abstrakten“, einen gleichermaßen informativen, dynamischen wie innovativen Einzelraum gefüllt mit Werken der Moderne, der seit Anfang 2017 dauerhaft als überarbeitete Rekonstruktion im Sprengel Museum zu sehen und zu erleben ist. Zu Brinckmanns ersten Erwerbungen zählte ein grafisches Konvolut von James Ensor, es folgten weitere Grafiken von Edvard Munch und Emil Nolde.

Von Gravens Kunstsammlung, deren Ursprung bereits vor dem Ersten Weltkrieg anzusiedeln ist, vereint damals zeitgenössische Werke von überaus hoher Qualität und reicher Vielfalt, die nun zum ersten Mal seit jeher wieder im Verbund zu sehen sind. Durch die Beindorffs wiederum entstanden weitere hochkarätige Kunstsammlungen in der Stadt, die etwa Werke von Lyonel Feininiger, Wassily Kandinsky, Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel beinhalteten. Kunstschaffende wie Ernst Thoms, Grethe Jürgens, Gerta Overbeck oder Erich Wegner, die an den städtischen Kunstgewerbeschulen tätig waren und aus diesen hervorgingen, trugen letztlich zu dem Renommee Hannovers als künstlerischer Wirk- und Knotenpunkt weit über Deutschlands Ländergrenzen hinaus bei.

Bestehend aus Leihgaben und eigenen Bestandswerken stellt das Sprengel Museum nun eine umfangreiche Ausstellung zusammen, die 335 Arbeiten von 96 Künstlern und Künstlerinnen zeigt, um diese überaus impulsive und lebhafte Zeit Hannovers wieder sichtbar und erfahrbar zu machen.

 

revonnaH. Kunst der Avantgarde in Hannover von 1912–1933
bis zum 7.1.2018, Sprengel Museum Hannover
Kurt-Schwitters-Platz, D-30169 Hannover
Tel.: +49-511-168-43875
Di 10 – 20 Uhr, Mi – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 4 €
www.sprengel-museum.de

Text aus der kunst:art 58

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