Schatten einer instabilen Zeit. – Die Gesichter der Weimarer Republik zeigt die Frankfurter Schirn

bis zum 25.2.2018 | Schirn Kunsthalle

 

von  Ninja Elisa Felske //

 

Sie war eine Epoche der Gegensätze – politische Instabilität, soziale Ungleichheit und Inflation charakterisieren sie ebenso wie ungebremster Optimismus, Freizügigkeit und eine florierende Kulturlandschaft: Die Weimarer Republik markiert eine Übergangzeit. Zwischen dem deutschen Kaiserreich und dem totalitären Regime des Nationalsozialismus erspürten Künstler seismographisch die Euphorie ebenso wie das Leid einer vom Ersten Weltkrieg destabilisierten Bevölkerung.

Die Schirn Kunsthalle Frankfurt hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, die Kunst dieser Epoche auf neuartige Weise zu betrachten. Vor allem die Neue Sachlichkeit wurde häufig in Ausstellungen präsentiert, die sich monografisch jener Stilrichtung widmeten. In Frankfurt wird diese Phase nun inhaltlich gegliedert und die Reflexionen thematischer Schnittmengen haben Vorrang vor einem einheitlichen künstlerischen Stil – so werden Werke kontextualisiert, die vorher nicht in Berührung kamen.

Viele Kernthemen der Schau erwachsen aus den damals massiven sozialen Gegensätzen, spürbar vor allem in Metropolen wie Berlin. Die rund 200 versammelten Werke zeigen den sachlichen, ironischen bis grotesken Blick von Künstlern wie Otto Dix, George Grosz und Hanna Nagel auf die Schere zwischen dem Reichtum weniger Kriegsprofiteure und der ungleich weiter verbreiteten Armut. Selbst den 1,5 Millionen Kriegsversehrten fehlte staatliche Unterstützung. Alkohol- und Drogensucht, Prostitution und Suizid waren allgegenwärtig; die Schattenseite der ausschweifenden „Goldenen Zwanziger“. Parallel bemühte sich die Politik um die Stabilität einer ersten fragilen Demokratie, wie die ausgestellten Wahlplakate vermitteln.

Dass die Position der „neuen Frau“ in diesem Jahrzehnt gestärkt wurde, zumindest partiell, untermauert der hohe Anteil Künstlerinnen in der Ausstellung: Elfriede Lohse-Wächtler, Jeanne Mammen, Grethe Jürgens, Lotte Laserstein, Alice Lex-Nerlinger, Lea Grundig, Hanna Nagel, Dodo, Renée Sintenis, Kate Diehn-Bitt und Gerta Overbeck repräsentieren eindrücklich die weibliche Kunst jener Jahre. Doch zeigen sie auch, dass die Rolle der Frau noch wenig fundiert war: Arbeitsplätze im Krieg gefallener Männer wurden nicht durch Frauen besetzt, ihnen wurde eher gekündigt als Männern und das Abtreibungsverbot beschnitt die Selbstbestimmtheit der Frau spürbar.

Zwar spiegelt die Ausstellung auch die üppigen Vergnügungen in Varietés, Revuetheatern und Nachtlokalen wider, sowie den verbreiteten Spaß an Sport – doch bleibt die zu tragende Last einer Generation, die zwischen zwei Kriegen lebte, stets präsent. Neben einem Begleitprogramm, das einen Tanzabend und eine Filmvorführung beinhaltet, wird die Schau auch online flankiert: Die Website der Schirn offeriert ein „Digitorial“, das auf PC, Tablet und Smartphone einen facettenreichen Einblick in Schwerpunktthemen und zentrale Werke der Ausstellung gibt sowie historische Hintergründe erläutert. Eine überaus empfehlenswerte und zeitgemäße Ergänzung zum Audio-Guide, der ebenfalls angeboten wird.

 

Glanz und Elend in der Weimarer Republik
bis zum 25.2.2018, Schirn Kunsthalle
Römerberg, D-60311 Frankfurt
Tel.: +49-69-299882112
Di – So 10 – 19 Uhr, Mi + Do 10 – 22 Uhr
Eintritt: 12 €, erm. 9 €
www.schirn.de

 

Text aus der kunst:art 59

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