Als säße ihm ein Kobold im Nacken … – Varlin im Museum Franz Gertsch

bis zum 4.3.2018 | Museum Franz Gertsch

Eugène Varlin, Die Heilsarmee, 1964. VG Bild-Kunst.

 

von Greta Sonnenschein //

 

Das Selbstbildnis des Künstlers Eugène Varlin von 1975 lässt ein wenig das Koboldhafte, das aus ihm durch seine Bilder zu sprechen vermag, erahnen. Genau das macht sein Œuvre deutlich, die Vielfalt seines Schaffens, primär im Ausdruck, aber auch im Sujet. Zu sehen ist dies zurzeit in der Ausstellung „Varlin. Perspektiven“ im Franz Gertsch Museum in Burgdorf in der Schweiz.

Der als Willy Guggenheim 1900 in Zürich geborene Varlin absolvierte einen Teil seiner Ausbildung in den 1920er Jahren in Berlin, bevor er für ein gutes Jahrzehnt nach Paris ging, wo er auf seinen Gönner und Förderer Leopold Zborowski stieß. Ihm hatte er wohl auch seinen Künstlernamen zu verdanken, denn bei Guggenheim dachten die meisten Zeitgenossen entweder an einen Kunstmäzen aus den USA oder in Paris an einen Rennstallbesitzer. Das Pseudonym Eugène Varlin hingegen versprach Kampfgeist, war der Name doch einem französischer Anarchisten des 19. Jahrhunderts entliehen. Seine Inspiration fand der Maler in der Vielfalt an Orten und ihrer Menschen, von Paris über die Schweiz bis nach Italien. Diese Einblicke boten Zugänge zu unterschiedlichen Milieus wie Künstlerkreisen oder auch dem Rand der Gesellschaft. Ihnen allen gab Varlin Gesichter und Platz in seinen Gemälden.

Genau das macht seine Werke aus: Perspektivische Einblicke, architektonisch wie sozial. Denn es gibt kein Genre, kein Sujet, das Varlin zu thematisieren ausgelassen hätte. Seine Werke umfassen Landschaftsbilder, Stadtimpressionen, Porträts, Stillleben ebenso wie Aktzeichnungen oder großformatige Gesellschaftsstudien. Zwei solcher großformatiger Werke werden in der Ausstellung einander gegenübergestellt. „Die Heilsarmee“, bereits 1964 entstanden, und „Leute aus meinem Dorf“, das 1976, ein Jahr vor Varlins Tod, entstand. Erfreulich ist, dass beide Werke gezeigt werden können. Friedrich Dürrenmatt hatte das lange in Vergessenheit geratene Bild „Die Heilsarmee“ dem Kunsthaus Zürich geschenkt, allerdings mit der Auflage, es permanent auszustellen. Aus Platzgründen war dies jedoch lange nicht möglich. Diese beiden Werke bieten vor allem in Bezug auf den Faktor „Mensch“ Einblicke in die Besonderheit des künstlerischen Schaffens des Malers. Denn das macht sein Werke andersartig in seiner Zeit: Sie sind keine Ab-Bilder, sondern Zeugnis für jenes, was der Künstler sieht, bei Porträts wie bei Straßenzügen, bei Gruppenbildern wie auch Landschaftsimpressionen. So war Varlin zwar Kind seiner Zeit, aber von den avantgardistischen und abstrakten Strömungen nicht im gängigen Maße beeinflusst und dem Figurativen und Gegenständlichen weiter verbunden.

Durch seine Themen brauchte Varlin jedoch für seine Zeit eine andere Art des Ausdrucks, denn nur so konnte er in einen Dialog mit Kunstwerk und Sujet treten. Wo er in einem Porträt mit groben Strichen das Wesen charakterisiert, zeichnet er die Mimik in feinen Details, durchdringend und ihr Wesen durchschauend, aber stets mit dem gebührenden Respekt, allein des Zaubers.

 

Varlin. Perspektiven
bis zum 4.3.2018, Museum Franz Gertsch
Platanenstr. 3, CH-3401 Burgdorf
Tel.: +41-34-4214020
Mi – Fr 10 – 18 Uhr, Sa + So 10 – 17 Uhr
Eintritt: 12 CHF, erm. 8 CHF
www.museum-franzgertsch.ch

 

Text aus der kunst:art 59

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