Geschichte zweier Welten. – Große Schau im MMK Frankfurt zur Wechselwirkung von westlicher und lateinamerikanischer Kunst

25. November 2017 - 2. April 2018 | MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main , MMK 1

Cildo Meireles, Coca Cola, 1970. © the artist, Daros Latinamerica Collection, Zürich. Foto: Dominique Uldry, Bern.

 

von Julia Behrens //

 

Lucio Fontana wurde als Kind italienischer Eltern in Argentinien geboren und pendelte gerade als junger Erwachsener zwischen Europa und Südamerika hin und her. In den 1940er Jahren lebte er sieben Jahre in Buenos Aires und ließ sich dort von abstrakt arbeitenden Künstlern der sogenannten River-Plate-Concrete Gruppe beeinflussen. Deren unorthodoxe, dreidimensionale Gestaltung von Gemälden inspirierte Fontana zu einer neuen Auffassung von Räumlichkeit in Malerei und Skulptur.

In einer der größten Ausstellungen des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt wird – in Kooperation mit Kuratoren des Museo de Arte Moderno in Buenos Aires – anhand von 500 Werken die Wechselwirkung von westlicher und lateinamerikanischer Kunst des 20. Jahrhunderts untersucht. Die Schau mit dem Titel „A Tale of Two worlds“, die nacheinander in beiden Museen zu sehen ist, bietet einen Querschnitt von Werken, die zwischen den 1940er und 1980er Jahren entstanden sind. Dabei stammen die Exponate zur westlichen Kunst ausschließlich aus der Sammlung des Frankfurter Hauses.

Während sich vor dem zweiten Weltkrieg viele südamerikanische Künstler – wie Joaquin Torres-García aus Uruguay – in Europa ausbilden ließen und die Moderne, allen voran die konkrete Kunst, in ihrer Heimat bekannt machten und umformulierten, emigrierten einige Europäer – wie die Engländerin Leonora Carrington – während des Krieges nach Lateinamerika oder suchten, wie Max Bill oder Victor Vasarely, nach 1945 den Austausch mit Kollegen aus Argentinien und Brasilien. Denn dort hatte sich mittlerweile eine lebendige Szene entwickelt, die gewisse Strömungen der modernen Kunst, anders als in Europa, ungehindert weiterentwickeln konnte.

In den 1960er Jahren gab es dann in Südamerika eine Avantgarde, die sich wie viele Künstler in Frankreich, Deutschland oder in den USA für Konzeptkunst, Happenings und Performances begeisterte. Ihre Vertreter entwickelten Verfahren, die sich wie im Fall von Hélio Oiticica aus Rio de Janeiro direkt auf die sozialen Missstände des jeweiligen Landes bezogen. Gleichzeitig korrespondierten prominente Themen wie Destruktion, Gewalt und Verfall – in den Aktionen von Marta Minujín aus Argentinien oder den Projekten der venezolanischen Gruppe El Techo de la Ballena – im weiteren Sinn mit Ansätzen von Manolo Millares oder John Chamberlain. Angesichts der Unterdrückung und Verfolgung, die dann in zahlreichen südamerikanischen Ländern durch Militärdiktaturen erfolgte, wurde die Aktionskunst zu einem der effektivsten Mittel, um sich – wie die Chilenin Lotty Rosenfeld – in den 1970er Jahren zur Wehr zu setzen. Die Künstlerin schuf 1979 in Santiago de Chile aus Straßenmarkierungen große weiße Kreuze und wiederholte diese „Intervention“ 1983 in Berlin.

Die Ausstellung in Frankfurt verspricht einen Einblick in ein breites Spektrum an gegenseitigen Einflüssen und Querbezügen und eine daraus resultierende, erweiterte Sichtweise auf die Sammlung des Museums für Moderne Kunst.

 

A Tale of Two Worlds. Experimentelle Kunst Lateinamerikas der 1940er- bis 80er-Jahre im Dialog mit der Sammlung des MMK
25. November 2017 — 2. April 2018, MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main , MMK 1
Domstr. 10, D-60311 Frankfurt am Main
Tel.: +49-69-21230447
Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20 Uhr
Eintritt: 12 €, erm. 6 €
www.mmk-frankfurt.de

 

Text aus der kunst:art 58

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