Artsplash | 68. Berlinale – Eine Bilanz

15. – 25.2.2018 | 68. INTERNATIONALE FILMFESTSPIELE BERLIN

Berlinale Palast 2018. Foto von Nadja Naumann.

 

Pressekonferenz zu IN DEN GÄNGEN, in der Mitte Regisseur Thomas Stuber, rechts Sandra Hüller, links Franz Rogowski. Foto von Nadja Naumann.

Ja, das war eine faustdicke Überraschung, die Verteilung der Silbernen und Goldenen Bären der 68. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Jurypräsident Tom Tykwer sorgte zumindest dafür, das in diesem Jahr die Frauenquote übererfüllt wurde. Die vier deutschen Wettbewerbsfilme gingen bei den Bären vollständig leer aus. Nicht ganz nachvollziehbar, denn eine Marie Bäumer als Romy Schneider in „3 Tage in Quiberon“ von Emily Atef war preisverdächtig. Ebenso die wunderbare zarte Liebesgeschichte „In den Gängen“ des Leipziger Regisseurs Thomas Stuber nach einer Kurzgeschichte von Clemens Meyer. Bildgewaltig ist die Sprache Meyers, bildgewaltig der Film von Stuber, die das Drehbuch zusammenschrieben und einen Preis dafür erhielten. Nie war Gabelstapler fahren so poetisch! Zumindest räumte Stuber bei der Preisverleihung der unabhängigen Jurys zweimal ab: den Preis der ökumenischen Jury und den AG Guilde Film Preis. Von mir aus hätte das am Abend der Preisverleihung so weiter gehen können. Ging er aber nicht.

Festivaldirektor Dieter Kosslick bei der Verleihung der unabhängigen Jurys. Foto von Nadja Naumann.

Als Abräumer des Festivals wurde ein Film, bei dem in der Pressevorführung nach der ersten halben Stunde recht viele Journalisten den Kinosaal verließen. Die internationale Koproduktion „Touch Me Not“ der rumänischen Künstlerin und Regisseurin Adina Pintilie, in die auch deutsche Fördergelder flossen, gewann den GWFF Preis Bester Erstlingsfilm, dotiert mit 50.000 Euro und den Goldenen Bären für den Besten Film. Die Mischung aus Spiel-, Dokumentar- und Experimentalfilm handelt von Sexualität und das in gewöhnungsbedürftigen Bildern. Die polnische Regisseurin Malgorzata Szumowska erhielt den Silbernen Bären, den Großen Preis der Jury für „Twarz“, in dem vom Bau der größten Jesusstatue der Welt in Polen erzählt wird.

Der Glashütte Original – Dokumentarfilmpreis, dotiert mit 50.000 Euro, ging in diesem Jahr ebenfalls an eine Frau und nach Österreich für „Waldheims Walzer“ von Ruth Beckermann.

Die 68. Berlinale war im Rückblick ein großer Erfolg. Selbst am Publikumstag, dem Sonntag, 25. Februar 2018, waren die Kinos noch einmal brechend voll. Das beweist, dass das Kino seine Daseinsberechtigung trotz Netflix, Amazon und Co. hat. Der Grund ist simpel: man kann gemeinsam mit Freunden ins Kino gehen und hinterher über den Film diskutieren. 330.000 verkaufte Festivaltickets sprechen eine klare Sprache und die Berlinale zieht Cineasten aus ganz Deutschland an, selbst aus dem fernen München. Über 21.000 Akkreditierte aus mehr als 130 Ländern kamen nach Berlin und der European Film Market verbuchte mit 10.000 Besuchern aus 112 Ländern eine Rekordbilanz. Auch wenn man sich immer anhören muss, der Markt in Cannes wäre ja sooo viel wichtiger.

Ich schaute mir am Publikumstag Kurzfilme zum Thema „1968 – Rote Fahnen für alle“ an, denn hier lief von der weltweit bekannten österreichischen Künstlerin VALIE EXPORT der zweiminütige Film „Tapp und Tastkino“ von 1968, in dem ihre Büste zum ertastbaren Kinosaal wurde.

Mein Fazit: die Berlinale war wie stets spannend und meine Lieblingssektion war die Retrospektive mit ihren Perlen auf Zelluloid aus der Weimarer Zeit.

 

 

 

Text und Fotos: Nadja Naumann

 

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