Dadaistdadaistdada. – Werner Koch im Hildesheimer Roemer-Pelizaeus Museum

bis zum 20.5.2018 | Roemer- und Pelizaeus-Museum

Werner Koch, Die Welt steht Kopf (Rauminstallation), o.J.

 

von Dr. Milan Chlumsky //

 

Genauso angekleidet wie der Dadaist Hugo Ball bei seinem famosen Auftritt im Zürcher Cabaret Voltaire dürfte Werner Koch lange Zeit darüber nachgedacht haben, wie die folgende Zeilen zu deuten waren: „Die Rumänische Kapelle begab sich zum ‚Blauen Himmel’ – Ein Fräulein knüpfte Bekanntschaften an. Tirolerjodler gingen mit grünen Hüten und Zitherkästchen. Ein Komiker kam im Zylinderhut. Drei schäbig gekleidete Herren mit Jockeymützen, wollenen Schal um den Hals, gaben, beim Gehen leicht ihre Schulter drehend, einer pompaduresk hoch aufgeprotzten Dame unerbetenes Geleit …. Und höllenhaft, magisch, radauernd und zeternd: die Lichtreklame des ‚Krokodil’ entfaltete ihre chinesisch untereinander geordnete Buchstabenreihe, die vom Dach bis zum Boden reichte.“ In seinem Roman „Flametti“ gab Ball den Ton an, den es zu treffen galt, sollte man sich in Zukunft an die glorreichen Tage des Dadaismus erinnern.

Und genau das tut Werner Koch, dem das Museum in Hildesheim – nach einer ersten Ausstellung 1995 – nun eine zweite umfassende Schau zu seinem 80. Geburtstag ausrichtet. Im Unterschied zu damals ist das Konterfei von Hugo Ball, einem der sechs Protagonisten der Dada-Bewegung, inzwischen vielen geläufig, da die Schweizer Post vor zwei Jahren eine Briefmarke mit Ball in seinem berühmten kubistischen Kleid in Umlauf brachte. Ball trug so gekleidet im Juni 1916 seine berühmten „Verse ohne Worte“ vor und begründete mit seinen Lautgedichten eine neue Dichtkunst.

Anlass für Werner Koch mehr als 100 Jahre später, mit dem gleichen kubistischen Kleid versehen, sich seiner eigenen Werkphasen zu erinnern, die nicht nur Dada Tribut zollen, sondern auch die Gegenwart integrieren, so wie zum Beispiel in der Rauminstallation „Die Welt steht Kopf“, in der explizit darauf hingewiesen wird, dass alles eigentlich kopfüber hängt und dass dies jeden treffen kann. In seinem in der Ausstellungsankündigung betonten Rückblick „dada ist dada ist dada“ finden sich sensible Porträts natürlich von Hugo Ball und seiner Frau Emily Hennigs, aber auch von Kurt Schwitters, Wassily Kandinsky, Franzis Picabia und Hans Richter. Die Partitur der „Retrospektive Bühnenbild“ besteht aus 18 Elementen, die zwischen 1970 und 2014 entstanden sind und die die vielschichtige Auseinandersetzung Kochs mit verschiedenen Materialien besonders aufschlussreich dokumentieren: Öl auf Leinwand, Acryl oder Ölstift auf Baumwolle, Aquarellstift auf Zeitung, Siebdruck auf PVC-Folie.

Mit der großen Vielfalt der verwendeten Materialien geht auch die große Varietät der alltäglichen Szenen in der Reihe „Spuren des Alltags“ einher, die während eines Studienaufenthaltes in New York entstanden sind. Ähnlich wie bei den Dadaisten sind kleine bruchstückhafte Texte in Kochs Skizzen zu finden. Sie reflektieren oft die gegenwärtigen Themen und berufen sich damit erneut auf die Dadaisten: Man würde sich wünschen, dass sie kein Schutzschild gegen den Kriegsunsinn aufbauen müssen, wie es Dada im Cabaret Voltaire vor 100 Jahren tat.

 

Werner Koch 100 + 1 = 80
Retrospektive und dada ist dada ist dada
bis zum 20.5.2018 , Roemer- und Pelizaeus-Museum
Am Steine 1-2, D-31134 Hildesheim
Tel.: +49-5121-93690
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 10 €, erm. 8 €
www.rpmuseum.de

 

Text aus der kunst:art 59

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