Zwischen Erinnerung und Erfindung. – Das Kunstmuseum Bonn widmet Thomas Scheibitz eine Einzelausstellung

1.2. – 29.4.2018 | Kunstmuseum Bonn

 

von Julius Tambornino //

 

Für Thomas Scheibitz dürfte 2018 ein Jahr werden, an das er sich immer wieder gerne zurückerinnern wird. Ende Januar erst berief die weltweit renommierte Düsseldorfer Kunstakademie ihn als Professor, zeitgleich dazu eröffnet das Kunstmuseum in Bonn eine große Einzelausstellung mit dem Maler und Bildhauer. Beide als Auszeichnung zu verstehende Ereignisse sind dabei keine große Überraschung. Spätestens seit seiner Gestaltung des deutschen Pavillons auf der 2005er Biennale in Venedig, gemeinsam mit dem Performancekünstler Tino Sehgal, gehört Scheibitz, 1968 in Radeberg geboren, zu den spannendsten, stringentesten und wohlgemerkt auch dementsprechend international anerkanntesten Künstlern seiner Generation.

Die Bonner Ausstellung erlaubt vor allem einen tiefen Blick in die systematische Arbeit des Künstlers, und die ist – über alle vordergründigen Reize seiner farbenreichen Werke hinausgehend – sehr außergewöhnlich. Scheibitz nämlich sucht in seinen Werken die Lücke zwischen der Welt, in der wir leben, und der Welt des Kunstobjektes, zwischen solchen Dingen also, die sich als Figuration auf die Wirklichkeit beziehen, und solchen, die als Abstraktionen in ihrem Wesen durch den Künstler autonom gesetzt sind. In diese Lücke fügen sich auch die Werke ein, die jetzt in Bonn zu sehen sind. Eine unübersichtliche Abstraktion von Farbfeldern und Flächen erweist sich als „Ansicht und Plan von Toledo“, der geometrische Körper aus Grün und Weiß und Rot als „Kanne“.

Der künstlerische Prozess aber folgt der genau umgekehrten Richtung: Scheibitz greift auf sein eigenes umfangreiches Bildarchiv zurück und ermittelt Ähnlichkeiten und Assoziationen innerhalb des Materials. In einem zweiten Schritt wird auf dem Weg vom Abbild zum Bild die Gegenständlichkeit der Vorlagen verknappt, bis ihr Wirklichkeitsbezug am seidenen Faden hängt. So sind am Ende die Bildelemente nirgendwo mehr zu Hause – sie entstammen nicht der freien Abstraktion, als Stellvertreter repräsentieren sie im Endstadium jedoch auch nichts mehr außer sich selbst.

Um einen Einblick in diesen einfühlsamen und dennoch radikalen Bildwerdungsprozess zu erlangen, machen das Museum und der Künstler dem Besucher mit einem zentralen Baustein im Ausstellungskonzept nun ein bestechendes Angebot: Im mittleren Raum hat man einen großen Arbeitstisch aufgestellt, auf dem sich etliche Inspirationsstücke und somit Vorstufen der Scheibitz’schen Transformationen finden.

Wie bei vielen seiner großen Soloausstellungen ist es dem Team des Kunstmuseums außerdem auch jetzt wieder gelungen, dass ein Großteil der gezeigten Werke eigens für den Anlass angefertigt wurde, über die Hälfte der Arbeiten sind neu, der Rest wurde aus denen der Jahre 1995 bis 2016 ausgewählt, um die Entwicklungen in Scheibitz’ inzwischen immerhin über 20-jährigem Œuvre sichtbar zu machen. Dies fördert, wie erfahrungsgemäß immer, auch in diesem Fall nicht nur das Haus durch temporäre Exklusivität, sondern am Ende auch die Güte einer Ausstellung, die dadurch zusätzlich an konzeptueller Homogenität und Nachvollziehbarkeit gewinnt.

 

Thomas Scheibitz. Masterplan\kino
1.2. – 29.4.2018, Kunstmuseum Bonn
Museumsmeile, Friedrich-Ebert-Allee 2
D-53113 Bonn, Tel.: +49-228-776260
Di – So 11 – 18 Uhr, Mi 11 – 21 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 3,50 €
www.kunstmuseum-bonn.de

 

Text aus der kunst:art 60

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