Wände geraten in Rhythmus

13.5. – 26.8.2018 | Marta Herford

Ernst Caramelle, Corner Zick Zack, 2008-2010

von Karolina Wrobel  //

Wenn Architektur im Auge des Betrachters zu tanzen beginnt oder sich zweidimensionale Flächen in dieser Optik zu einer plastischen Ordnung formen – was ist dann die Wirklichkeit, wenn nicht Schein? Was Friedrich Nietzsche einst philosophisch beschrieb, das haben Architekten und Künstler in ihrer Sprache auszudrücken versucht. Etwa der amerikanische Star-Architekt Frank Gehry, dessen “tanzende Architektur” zu Weltruhm gelangte und die bisweilen nicht nur in Bilbao, sondern auch im nordrhein-westfälischen Herford der Kunst ein Zuhause gibt.

Das Museum für zeitgenössische Kunst Marta Herford verbindet seit seiner Entstehung 2005 Aspekte aus den Bereichen Design und Architektur mit Bildender Kunst. So auch in der Ausstellung, die ab dem 13. Mai zu sehen sein wird: “Very angenehme Konzeptkunst” heißt die Einzelschau des österreichischen Konzeptkünstlers Ernst Caramelle (*1952). Caramelle, der zu den profiliertesten Künstlern seiner Generation zählt, nahm 1992 an der vom späteren Marta-Gründer Jan Hoet (1936-2014) geleiteten documenta IX teil und ist heute unter anderen Rektor der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. In Herford war es der seit 2009 amtierende Künstlerische Direktor Roland Nachtigäller, der Caramelle dazu einlud, das Museum mit seinen verdoppelten, gesiegelten und wiederholten Farbflächen zu bespielen und Raumkorrespondenzen zu schaffen, die unsere Wahrnehmung verschieben. Eine Schau, die schon mal einen Einblick in das aktuelle Schaffen des Künstlers gibt, bevor er Ende 2018 im Wiener “Mumok”, dem Museum moderner Kunst der Stiftung Ludwig Wien, mit einer großen Retrospektive gewürdigt wird, welche die ganze Spannbreite der Werkphasen seit 1974 zeigen soll. Diese reichen von den Medien Fotografie, Video und Reproduktion von medialen Bildern bis hin zur Wandmalerei.

Letztere werden im Marta Herford zu einem einem integrativen Teil des musealen Raums. Sie sind nicht nur darauf aus, diesen Raum unter formalen Aspekten zu schmücken und zu erweitern. Die farbigen Flächen sind rhythmisch organisiert und weiten den Raum auf, sodass jeder Besucher des Marta Herford seine gewohnte Perspektive verlassen muss. Die Werke kreisen in ihrer Wirkung um die zentrale Frage: “Realität oder Illusion?”. Dabei ist diese Frage nicht nur in den großen Wandgemälden Caramelles’ immanent, welche die Flächen dreidimensional aufbrechen, sondern auch in den Räumen, in denen sie präsentiert werden. Der künstlerische Ansatz spielt auf diese Weise gekonnt mit der Baustruktur des gesamten Hauses und macht darauf aufmerksam, welche architektonische Skulptur die musealen Räume birgt. Die konvexen und konkaven Bauteile des Marta-Baus des Architekten Gehry haben schräge und bisweilen wellige Wände und Treppen im Inneren. Die Werke von Ernst Caramelle verstärken die Wirkung dieser Architektur und schaffen es, sie sprichwörtlich zu versinnbildlichen.

Ernst Caramelle. Very angenehme Konzeptkunst
13.5. – 26.8.2018
Marta Herford
Goebenstr. 2 – 10
D-32052 Herford
Tel.: +49-5221-9944300
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 4,50 €
www.marta-herford.de

 

Erstveröffentlichung in kunst:art 61.