Mittlerin zwischen Mauern

Gropius Bau Berlin | bis zum 13.1.2019

Lee Bul, Live Forever III, 2001 (Ausstellungsansicht Crashing, Hayward Gallery, 2018) (Foto: Linda Nylind)

von Karolina Wrobel //

Die koreanische Künstlerin Lee Bul im Gropius Bau

Es gibt nur wenige andere Orte in Berlin, an denen die deutsche Vergangenheit so deutlich ablesbar ist. Der Martin Gropius Bau gehört heute zu den prominentesten Ausstellungshäusern des Landes. So manch Besucherschlange windet sich um den im Renaissancestil gehaltenen Bau, weshalb den Kunstinteressierten das danebenliegende Dokumentationszentrum zur NS-Geschichte, “Topographie des Terrors”, oder die einst an der Nordseite entlanglaufende Berliner Mauer aus dem Blickfeld oder gar aus dem Bewusstsein geraten. Und doch: Die Geschichte politischer Gewalt, der Zerteilung Deutschlands und der Wiedervereinigung kulminieren an diesem Ort.

Dessen werden die Besucher nun auch in der Ausstellung “Crash” gewahr, die ihrerseits Unterdrückung, körperlichen Schmerz und Verletzlichkeit spiegelt. Es sind universelle, dunkle Themen der Menschheitsgeschichte – vorgebracht von einer Künstlerin, die als die wichtigste ihrer Generation im noch immer geteilten Korea gilt. Es wäre jedoch falsch, die 1964 als Tochter von politischen Aktivisten in der südkoreanischen Militärdiktatur geborene Lee Bul auf die aus ihrer Biografie resultierenden Themen zu reduzieren. In den 30 Jahren ihres Schaffens entwickelte die Künstlerin ein einzigartig vielseitiges Repertoire an medialen Ausdrucksformen, in denen sich sowohl Kunstgeschichte als auch Architektur und politische Rebellion widerspiegeln.

Stephanie Rosenthal, neue Direktorin des Gropius Bau, kuratierte die umfassende Werkschau, welche die Entwicklung des Œuvres von Lee Bul erlebbar macht. Lee Bul, die sich als ausgebildete Bildhauerin Ende der 1980er Jahre vom akademischen Konformismus in den Performances “Cravings” und “Abortion” abwendete und in die emanzipatorische Auseinandersetzung ging, erforschte diese Fragestellung einige Jahre später mittels dreidimensionaler skulpturaler Arbeiten. In ihrer Serie “Cyborg” (1997–2011) verschmolz sie die Körper von Mensch und Maschine, schöpfte aus dem kunstgeschichtlichen Fundus, indem sie die “Venus von Milo” ebenso zitierte wie die sexualisierten Mangas heutiger Popkultur. Die Erforschung von Körperlichkeit brachte sie schließlich auch zu Gemälden und Wandarbeiten, in denen sie organische Materialien wie Seide, Leder oder Perlmutt verwandte. Und ließ sie danach erneut Grenzen überschreiten, indem sie Modelle von utopischen Stadtlandschaften schuf. Die späteren Arbeiten reflektieren nicht zuletzt ihre Suche nach dem sinnlichen Erleben des Somatischen: So schafft sie immersive Arbeiten, in denen dystopische Welten anklingen. In “Bunker” (M. Bakhtin) (2007/2012) betritt der Besucher das schwarze, felsige und geräuschhafte Innere durch eine Spalte. In “Via Negativa” (2012) und „Via Negativa II“ (2014) sind es spiegelnde Oberflächen, die den Besucher in eine visuelle Orientierungslosigkeit versetzen. “Meine Arbeiten sind wie Reisen an einen anderen Ort, in eine andere Zeit”, sagt die Künstlerin in ihrem Statement. “Es ist wie bei einem Diorama: Man macht eine Reise, aber es ist immer dieselbe Aussicht, derselbe Ort.”

Lee Bul. Crash
29.9..2018 – 13.1.2019
Gropius Bau
Niederkirchnerstr. 7
D-10963 Berlin
Tel.: +49-30-254860
Mo + Mi – So 10 – 19 Uhr
Eintritt: 11 €, erm. 8 €
www.gropiusbau.de

Erstveröffentlichung in kunst:art 63
Text: Karolina Wrobel | Bild: Gropius Bau