Die 69. Internationalen Filmfestspiele Berlin sind wie immer spannend. Bei dem Eröffnungsfilm „The Kidness of Strangers“ in der Regie der dänischen Regisseurin Lone Scherfig gingen die Meinungen – wie immer beim Eröffnungsfilm – auseinander. In dem Drama geht es um eine junge Frau und ihren beiden kleinen Söhnen, die vor ihrem Mann im Auto nach New York flieht, weil er die Jungs schlägt. Ohne Geld versucht sie sich und die Jungs in Big Apple durchzubringen. Die Hauptrolle der jungen Mutter spielt Zoe Kazan. Der Großvater der Schauspielerin, Drehbuchautorin und Dramatikerin war Elia Kazan (1909 – 2003). Kazan war einer der herausragenden Regisseure Hollywoods.
Seit fünf Jahren gibt es die Berlinale Series. Vorgestellt wurde unter anderem „Hanna“ nach dem gleichnamigen Film von Joe Wright, der 2011 in die Kinos kam. Bis auf eine der acht Folgen der Serie schrieb alle David Farr. Sarah Adina Smith führte bei den ersten beiden Episoden Regie. Hanna wird von Esmé Creed-Miles verkörpert. Produziert wurde die Serie von Amazon Studios, NBC Universal International Studios und Working Title Television. Wie im Film geht es um einen Teenager, dessen DNA verändert wurde. Von ihrem Vater wird sie in der Wildnis ausgebildet wie ein Elitesoldat. Doch Hanna möchte nicht ewig im Wald leben und versteht nicht, warum ihr Leben außerhalb des Waldes bedroht ist. Gedreht wurde in sechs Ländern – darunter in Deutschland – und im Gegensatz zu uns, haben die Amerikaner keine Angst vor dem Kinosterben ausgelöst durch die Streaming Dienste. Dazu Sarah Adina Smith: „Der Independent Film war schon immer in Gefahr und hat es schwer in der Finanzierung. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich bei ‘Hanna’ Regie führen durfte.“ Jennifer Salke, die seit einem Jahr die Geschicke der Amazon Studios zu verantworten hat, ist auf die hohe Qualität der Amazon-Serien stolz, die vor allem hierzulande sehr erfolgreich sind. Auf der Pressekonferenz nach der Premiere von „Hanna“ betonte sie: „Die Serie ist eine europäische Produktion.“ Im März ist der weltweite Start von „Hanna“.
Immer informativ ist der nordmedia talk&night. Die Filmförderungsanstalt hat in diesem Jahr mit „Systemsprenger“ von Nora Fingscheidt einen Beitrag im Wettbewerb. Sie erzählt darin von Bernardette, die Benni genannt werden will. Die Neunjährige sehnt sich nichts sehnlicher, als wieder bei der Mutter leben zu können. Allerdings neigt sie zu Gewaltausbrüchen, die sie nicht unter Kontrolle hat und ihr Umfeld ist nicht in der Lage, ihr wirklich zu helfen. Bis auf einen Betreuer, dem sich das Mädchen anvertraut. Der große Mario Adorf war ebenfalls beim Talk dabei, um über die Dokumentation „Es hätte schlimmer kommen können – Mario Adorf“ in der Regie von Dominik Wessely zu sprechen. Jochen Coldewey, Bereichsleiter Film- und Medienförderung der nordmedia, führte gewohnt souverän durch das Programm. Lounge-Partner in diesem Jahr war der Drehort Emsland.
Wieder sehr stark vertreten auf der Berlinale ist Kanada. Man war auf dem Empfang von Telefilm Canada in der kanadischen Botschaft zurecht stolz, an der Produktion des Eröffnungsfilm „The Kidness of Strangers“ beteiligt gewese zu sein. Was immer schön ist: alle Filmemacher werden auf die Bühne gebeten und da war es in diesem Jahr sehr eng. Ohne Sponsoren lässt sich so ein Empfang nicht stemmen und was wirklich sehr großzügig war: es gab Austern aus Nova Scotia. Ermöglicht durch „Devour! The Food Film Fest“ im kanadischen Wolfville in Nova Scotia. In diesem Jahr findet es vom 22. bis zum 27. Oktober statt. Hier geht es nur ums Essen und natürlich ums Geniessen. Auf der Berlinale gab es auch in diesem Jahr wieder das Kulinarische Kino und die Foodstreet an den Potsdamer Arkaden, der sehr gut angenommen wurde.
Seit 40 Jahren gibt es die Sektion Panorama, die von 1992 bis 2017 von Wieland Speck geleitet wurde. Dank seines Engagements für homosexuelle und lesbische Filme sowie das Einsetzen für die Gender-Thematik wurde der Teddy Award vor 33 Jahren ins Leben gerufen und er ist der einzige anerkannte Preis auf einem A-Festival auf der Welt. Für seine Verdienste erhielt Wieland Speck die Berlinale Kamera. Die Laudation hielt Rajendra Roy, Chefkurator für den Film im Modern Museum of Art in New York City und in diesem Jahr Mitglied der Internationalen Jury. „Du hast aus mir einen besseren Menschen gemacht. Du hast aus mir einen besseren Kurator gemacht. Du hast aus mir einen besseren schwulen Mann gemacht.“ Es waren Worte, die einem nahe gingen. Vor 22 Jahren haben sich die beiden Männer in einer Schwulenbar in San Francisco kennengelernt. Da war Rajendra Roy 24 Jahre alt. Damals hatte der junge Mann keinen Plan für sein Leben. Dieter Kosslick überreichte Wieland Speck die Berlinale Kamera mit seinem Humor, der im kommenden Jahr fehlen wird: „Wieland komm her. Noch bin ich dein Chef!“ Wieland Speck war und ist immer sehr diplomatisch und elegant in seinen Umgangsformen. Der Berlinale bleibt dieser großartige Mensch weiterhin als Berater der Sektion Panorama erhalten.
Text: Nadja Naumann