Sensible Porträtistin

5.4. – 12.8.2019 | Berlinische Galerie

Die Partys der „Wilden Zwanziger“ lagen ihr nicht und mit der ausgeprägten Spottlust der „Neuen Sachlichkeit“ hatte sie auch wenig im Sinn. Vielleicht Gründe, dass die Berliner Malerin Lotte Laserstein (1898–1993) lange Zeit nicht ihrem Talent entsprechend gewürdigt wurde. In Berlin gibt es nun die Wiederentdeckung einer der sensibelsten Porträtistinnen der frühen Moderne zwischen Tradition und Innovation zu sehen.

Laserstein bewegt sich zwar immer abseits der kanonisierten Pfade der Neuen Sachlichkeit und der Abstraktion, lässt aber den Betrachter ganz nah an ihre Porträtierten heran – an Tennisspieler, Motorradfahrer, Bauernmädchen, liegende Mädchen und schließlich an die Künstlerin selbst. Immer wieder erscheint die Malerin, mal mit Bubikopf, mit weißem Malerkittel und großer Palette im Atelier, immer mit konzentriertem Blick, zuweilen mit Katze. Es sind Momentaufnahmen selbstbewussten Auftretens und aufmerksamer Nähe zu den dargestellten Modellen. Auch zur langjährigen Freundin Gertrud Rose, die auch als schlafende Venus auf einem weißen Laken in Szene gesetzt wird. Das Gemälde „Russisches Mädchen mit Puderdose“ von 1928 zeigt, wie subtil sie die Farben auftragen konnte, wie geheimnisvoll sie mit Spiegelungen umging, wie unabhängig sie von den Moden des herrschenden Kunstbegriffs war. Die Zeitenwende, die sie ein Jahr nach der Weltwirtschaftskrise erlebte, zeigt sich in einem Großformat von 1930: „Abend über Potsdam“. Fünf Personen auf einer Dachterrasse, mit der Anmutung eines Abendmahls. Die latente Melancholie ihrer Bildwelt wird hier aus der zeitlichen Distanz zur politisch lesbaren Botschaft.

Lotte Laserstein. Von Angesicht zu Angesicht
5.4. – 12.8.2019
Berlinische Galerie
Alte Jakobstr. 124–128
D-10969 Berlin
Tel.: +49-30-78902600
Mo + Mi – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 10 €, erm. 7 €
www.berlinischegalerie.de

Text: Stefan Simon
Bild: Berlinische Galerie
Erstveröffentlichung in kunst:art 66