Der Hauch Gottes

28.4. – 28.7.2019 | Luftmuseum

Wies Noest bei der Luftnacht im Luftkunstort Amberg 2018 (Foto Daniela Hottner)

Man sollte es nicht glauben, wenn man die riesigen Luftskulpturen von Wies Noest sieht – es sind alles Handarbeiten. Noests Wohnhaus gleicht einem riesigen Studio, wo ihre eigene Hand die Außenhaut der ungewöhnlichen Skulpturen gebiert. Sie schneidet und näht und dann haucht die Luft ihnen Leben ein. Erstmals gibt es eine Werkschau der Künstlerin im Luftmuseum in Amberg/ Oberpfalz, bei der Objekte und Projekte aus über 30 Jahren Schaffenszeit gezeigt werden.

Vielleicht ist die so genannte “Engelsburg” einer der passensten Orte für solche Arbeiten. Auf drei Stockwerken mit 650 qm Ausstellungsfläche werden verschiedenste Ausstellungen zum Thema Luft gezeigt. Das einzigartige Museum, das sich der Kunst und der Kultur der Luft und der Präsentation außergewöhnlicher Gestaltungslösungen der Pneumatik widmet, gibt es seit 2006. Inspiriert vom Künstler Wilhelm Koch, gründete sich der Luftmuseum e.V., der heute das Privatmuseum leitet. Das Thema Luft/Pneuma scheint erst selbstverständlich, dann faszinierend und schließlich außergewöhnlich. Dabei ist es doch so klar – ohne Luft gäbe es vieles nicht, vor allem uns, die Menschheit.

In der Antike des Mittelmeerraums sieht man Pneuma als materielle Lebenskraft für physiologische Vorgänge. Im spirituellen Kontext wurde es zumeist als Geist und Seele übersetzt, oder auch als der “Atem Gottes”. Das antike Pneuma wird weiter gefasst, es steht auch für Wirbel, Windhauch und Druck. Zudem gibt es Bezüge zum chinesischen “Chi”, dem indischen “Prana”, dem indischen “Akasha” oder dem hebräischen “ruahs”, vergleichbar auch mit “Atemseele.” Die Stoiker hingegen sahen Pneuma als “feurigen Lufthauch”, der alles durchdringt, eine kosmische Macht, eine Art Schicksal. Wies Noest unterrichtete Textilkunst und visuelle Kommunikation. Sie fand bald ihre Leidenschaft für meterhohe Pneuobjekte.

Bereits zum letzten alljährlichen Luftfestival zeigte Noest Skulpturen in Amberg. Diesmal ist es aber eine ganze Ausstellung aus ihrer stetig anwachsenden Serie “Being here”, die bereits mehr als 30 Objekte umfasst. Gebläse halten die Objekte den Tag über am Leben und lassen sie über Nacht in sich zusammenstürzen. Das Besondere: Es gibt keine Absperrungen, jeder ist eingeladen, die Werke zu berühren. Luft, Licht und Farben dienen Wies als Kommunikationsmittel. Ihre Objekte im öffentlichen Raum wirken spielerisch und lebendig. Dieser Effekt wird erreicht durch die verwendete Ballonseide, aus der sie gefertigt werden. Es ist kein statisches, sondern ein lebendiges Material, besonders im Zusammenspiel mit der Luft. Die bis zu sieben Meter hohen Skulpturen der 73-jährigen Künstlerin leuchten partiell im Dunkeln, dies wird erreicht durch Leuchtkörper, die im Inneren mit eingearbeitet werden. Noests Arbeiten sind Langzeitprojekte, sie spielt mit einzelnen Elementen und mit den Farbkompositionen in den Objekten. Umgebung und Sichtachsen werden in ihre Kompositionen mit einbezogen. Wetter und Licht sind ein weiterer Faktor. Ihre Luftplastiken haben bereits etwa 50 Orte bereist und sind jetzt in Amberg zu sehen.

Being here – Luftskulpturen von Wies Noest (NL)
28.4. – 28.7.2019
Luftmuseum
Eichenforstgäßchen 12
D-92224 Amberg
Tel.: +49-9621-420883
Di – Fr 14 – 18 Uhr, Sa + So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 4,50 €, erm. 3 €
www.luftmuseum.de

Text: Liane Wendt
Bild: Luftmuseum
Erstveröffentlichung in kunst:art 67