„… und Action bitte“

23.8. – 20.10.2019 | Stiftung Brandenburger Tor

Ein „Hot Set“, also eine Kulisse, in der nichts mehr verändert werden darf, ist das Max Liebermann Haus sicher nicht, im Gegenteil. Das ehemalige Dachatelier des Künstlers am Brandenburger Tor bleibt durch die Arbeit der Stiftung gerade dadurch lebendig, dass regelmäßig Künstler eingeladen werden, die historische Adresse lebendig zu halten. Sie sind in der Reihe „im Atelier Liebermann“ zugleich auch die Kuratoren.

Warum hat Videokünstler Bjørn Melhus dann „Hot Set“ als Titel für seinen Auftritt in dieser Serie gewählt? In einem Hot Set steht man unmittelbar vor der Aufnahme. Ganz nah wird man also als Betrachter der Arbeit Bjørn Melhus’ kommen können, ihm unmittelbar vor dem „Dreh“ zusehen können. Damit interpretiert er, der als Sohn einer Norwegerin in Baden-Württemberg geboren wurde, das Thema der Ausstellungsreihe sehr direkt. Denn die Idee hinter dieser Reihe möchte das Publikum möglichst dicht an die künstlerische Arbeit bringen, die es durch die Ausstellung im Atelier, einem Neubau an der Stelle des zerstörten Originals, mitverfolgen können soll. Zuvor waren hier schon Daniel Richter, Leiko Ikemura und Nanne Meyer zu Gast, nun erstmals ein Videokünstler.

Der öffnet seinen Schaffensprozess erstmals der Öffentlichkeit, nach immerhin 30 Jahren als Künstler und 16 Jahren als Professor. Dazu möchte er das Filmset in die Ausstellung bringen, vermittelt über Zeichnungen, Outtakes seiner fertigen Filme und tatsächliche Einblicke in seine Filmarbeit. Hier hat man wirklich den Eindruck, in einen persönlichen, geradezu intimen Bereich des Künstlers zu dringen. Sieht man Melhus etwa in einer Aufnahme bei der Arbeit an „Freedom & Independence“ wie auf einem Operationstisch liegen, seziert von der Kamera, droht diese Nähe schon unangenehm und abgründig zu werden – faszinierend ist sie allemal. Stets ist er sein eigener Protagonist. So ist er nicht nur als Mr. Freedom und strenge Lady Ms. Independence zu sehen, hinter der sich die Schriftstellerin Ayn Rand als Vorbild verbirgt, eine Verfechterin eines radikalen Kapitalismus und Rationalismus, unter deren Fuchtel er in anderer Rolle krank und elend wird. Häufig wendet sich seine auf den ersten Blick unterhaltsame, auch mal alberne Maskerade in eine bitter ernste sozialethische Pointe. „CAN YOU SEE MY ART“ fragt er in seiner jüngsten Arbeit, in der er schließlich in youtube-Manier und schrill-bunter Aufmachung die Sprache eines Unboxing-Videos, eines Genres von Internet-Videos, in dem sich Menschen beim Auspacken eines gelieferten Paketes filmen und ihre Neuerwerbungen kommentieren, präsentiert.

In über 90 Rollen ist er bisher erschienen, alle sind im Atelier Liebermann dabei. Für eine Werkausstellung ist es indessen zu früh. Erst im vergangenen Jahr wurde er zum Mitglied in die Berliner Akademie der Wissenschaften gewählt, war zuvor schon in der Tate Modern, im MoMa und auf der Biennale in Venedig vertreten. Höchste Zeit für eine Ausstellung nicht nur seiner Arbeiten, sondern seiner Arbeit im Atelier Liebermann.

im Atelier Liebermann: Bjørn Melhus. HOT SET
23.8. – 20.10.2019
Stiftung Brandenburger Tor
Max Liebermann Haus
Pariser Platz 7
D-10117 Berlin
Tel.: +49-30-22633019
Mo + Mi – Fr 10 – 18 Uhr, Sa + So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 4 €, erm. 3 €
www.stiftungbrandenburgertor.de

Text: Jan Bykowski
Bild: Stiftung Brandenburger Tor
Erstveröffentlichung in kunst:art 68