Von Bienenvölkern lernen

15.7. – 8.9.2019 | Galerie Stadt Sindelfingen

Melanie Dorfer, Apis, 2011

Unter dem Motto „Alte Stadt sucht neue Formen“ gibt es in diesem Sommer in Sindelfingen bereits zum dritten Mal ein großes Kulturfestival. An verschiedenen Orten werden rund 50 Veranstaltungen angeboten: eine wunderbare Möglichkeit, die Stadt, die man eigentlich nur aufgrund eines großen Automobilkonzerns kennt, einmal von einer anderen Seite zu erleben. Die Biennale beschäftigt sich mit der Kultur und der Geschichte der Stadt und verbindet auf besondere Art und Weise Kunst, Theater, Tanz und Musik. Künstler mit Bezug zu Sindelfingen zeigen in der Galerie Stadt Sindelfingen Zukunftsvisionen und Wunschprojektionen ihrer Stadt auf.

Die Geschichte Sindelfingens ist von goldenen Zeiten, aber auch von Tiefpunkten geprägt. Das Chorherrenstift um die Martinskirche verlieh Sindelfingen im Spätmittelalter überregionale Bedeutung. Die Bauernkriegsschlacht und Hexenprozesse kosteten zahlreiche Menschenleben. Während des Dreißigjährigen Krieges schrumpfte die Bevölkerung auf ein Drittel zusammen und die Stadt lag in Trümmern. Anfang des 20. Jahrhunderts siedelte sich dann das Mercedes-Benz-Werk an und verhalf der Stadt zu einem neuen und ungewohnten Reichtum. Der finanzielle Spielraum führte zu Veränderungen im Stadtbild, aber auch in der gesellschaftlichen Struktur. Aus der Kleinstadt wurde ein Industriestandort mit einer internationalen Einwohnerschaft. Die Ausstellung setzt sich mit dieser Geschichte auseinander und stellt lokalspezifische Fragen: Wie kann sich Geschichte auf das Jetzt und die Zukunft auswirken? Wie wollen wir das Miteinander in unserer Stadt leben, wie gehen wir mit Migration, einer immer älter werdenden Gesellschaft und der industriellen Umwälzung um? Wo sind Potenziale für humanistisch geprägte Utopien?

In einem ästhetisch zusammengeführten Konzept entstand so eine Ausstellung, die sich mit dem Selbstbildnis einer Stadt auseinandersetzt und Zukunftsvisionen aufzeigt. Es geht um Wunschprojektionen, die sich sowohl auf lokalspezifische Themen als auch auf globale Fragestellungen beziehen können. Die von Madeleine Frey und Sebastian Schmitt kuratierte Ausstellung zeigt acht Positionen, die einen breiten Blick auf Sindelfingens Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eröffnen. Melanie Dorfer untersucht mit ihrem Bienenvolk das Zusammenleben in einem Matriarchat. Jov T. Keisar stützt seinen Beitrag auf eine Petition von 1832. Sabina Hunger setzt sich in ihrer Wortcollage „Verantwortung“ mit der Stadtentwicklung auseinander. Karolina Kos thematisiert das Zusammenleben unterschiedlicher Sprachkulturen. Das Werk von Adam Cmiel basiert auf Recherchen zur Sindelfinger Architektur- und Stadtgeschichte. Felix Sommer beschäftigt sich mit dem Thema Verwurzelung und der Verbundenheit mit einem Ort. Die Künstlerin Tzusoo hat Teile der Galerie als digitales Modell nachgebaut. Die Künstlergruppe Verlag für Handbücher lädt schließlich zu einer Performance ein, die das Verhältnis von Materialität und Immaterialität zum Thema hat. Künstlerische Blicke, die sich selbstverständlich auch auf andere Städte und Gesellschaftsformen übertragen lassen.

Utopien in der Stadtgesellschaft – Identität und Geschichte
15.7. – 8.9.2019
Galerie Stadt Sindelfingen
Marktplatz 1
D-71063 Sindelfingen
Tel.: +49-7031-94325
Mo – Fr 10 – 18 Uhr, Sa + So 10 – 17 Uhr
Eintritt frei
www.galerie-sindelfingen.de

Text: Stefan Simon
Bild: Galerie Stadt Sindelfingen
Erstveröffentlichung in kunst:art 68