Vom Verschwinden einer Gesellschaftsschicht

20.9.2019 – 13.1.2020 | Kunsthaus Dresden

Fast schleichend verschwindet in unserer Gesellschaft der Mittelstand. Jener Gesellschaftsteil, der für unseren Wohlstand verantwortlich ist, weil er im Gegensatz zu großen Unternehmen und Konzernen die Produktion eben nicht kostengünstig ins Ausland verlegt und für Arbeitsplätze im jeweiligen Land sorgt. Was aber noch entscheidender ist: Der Mittelstand zahlt Steuern im eigenen Land und das ordentlich. Unermüdlich haben Wirtschaftsexperten davor gewarnt, den Mittelstand an den Rand der Gesellschaft zu drängen oder gar ganz verschwinden zu lassen.

Die österreichische Künstlerin Lisl Ponger hat sich intensiv mit der neoliberalen Wirtschaft auseinandergesetzt und Parallelen zu den sogenannten Schwellenländern gezogen, wie zu China. Denn dort erstarkt gerade in der Wirtschaft die Mittelschicht. Mit ihrem fiktiven Museum für fremde und vertraute Kulturen ist die Künstlerin nun zu Gast in Dresden. In einer Sonderausstellung wird das Museum mit den Mitteln der Gegenwartskunst hinterfragt. Seit vielen Jahren beschäftigt sich Lisl Ponger mit Identität und deren Darstellung in der Kunst. Dabei betrachtet sie nicht allein die europäische Kultur, sondern setzt sich global mit der Thematik auseinander. Auffällig dabei ist, dass selbst in den reichsten Ländern der Erde, wie zum Beispiel Deutschland, die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander geht. Jüngstes Beispiel dafür sind die Mieten, die in den letzten Jahren in die Höhe geschossen sind. Ein Ende des Immobilienbooms ist derzeit nicht in Sicht.

Lisl Pongers Museum könnte aktueller nicht sein und zeigt, was Kunst gesellschaftlich leisten kann. Der Besucher fühlt sich persönlich angesprochen und verstanden in seinen existentiellen Ängsten. Die Weitsicht der Künstlerin regt zum Nachdenken an, denn so recht sind wir uns nicht bewusst, wohin der Neoliberalismus die Gesellschaft führt. Letztendlich ist die gesamte Wirtschaft auf Gewinn orientiert. Doch der Preis, den wir dafür zahlen, ist hoch.

In ihren Kunstwerken zeigt Lisl Ponger, wie es um unsere Gesellschaft bestellt ist. Akute Probleme, vor denen die Politik lieber die Augen verschließt und bei denen sie die Bürger vertröstet, greift sie ganz bewusst auf. Diese kritische Hinterfragung betrifft auch die Problematik der Flüchtlinge, die nach Europa streben. Sie kommen oftmals aus ehemaligen Kolonien europäischer Länder. Eine hausgemachte Misere, für die niemand verantwortlich sein will nach so vielen Jahrzehnten. Der viel beschworene Geist von Europa ist brüchig geworden. Wir vergessen gern, dass wir im Kapitalismus leben. Der Wohlstand ist zwar da, aber es partizipieren längst nicht mehr alle davon.

Kunst darf bekanntlich alles, aber die große Kunst dabei ist, nicht wertend zu sein. Der Reiz der Ausstellung liegt darin, dass die Thematik hoch aktuell ist und es Lisl Ponger versteht, mit ihren Arbeiten unsere Gesellschaft auf den Prüfstand zu stellen. Wie auch immer, jede Kultur auf der Welt hat etwas, was bewahrt werden muss: Identität.

 

Lisl Ponger
20.9.2019 – 13.1.2020
Kunsthaus Dresden
Rähnitzgasse 8
D-01097 Dresden
Tel.: +49-351-8041456
Di – Do 14 – 19 Uhr, Fr – So 11 – 19 Uhr
Eintritt: 4 €, erm. 2,50 €
www.kunsthausdresden.de

Text: Nadja Naumann
Bild: Kunsthaus Dresden
Erstveröffentlichung in kunst:art 69