Im Untergrund

19.9.2019 – 8.3.2020 | Das Verborgene Museum

Wenn man sich eine Fotografin um 1900 vorstellt, dann wird man vermutlich an ein gemütliches Fotoatelier denken, in dem die Fotografin wunderbare Porträtaufnahmen macht und damit schon eine Vorreiterin wäre, in einer noch viel mehr männlich dominierten Gesellschaft, als wir sie noch heute haben. Marianne Strobl (1865–1917) entspricht dieser Vorstellung in etwa so wie eine Erdbeere einer Nuss. Sie war zwar Fotografin, stieg aber mit schwerer Ausrüstung hinunter in die Kanalisation Wiens. Dort, wo es ganz schmutzig wird, war ihr Arbeitsplatz. Marianne Strobl war die erste Industrie-Fotografin der k.u.k. Monarchie.

Technik, Industrie, Verkehr und Eisenbahn, Brücken, Kanalanlagen und Eisenkonstruktionen waren ihr Metier, während die männlichen Kollegen im besagten gemütlichen Atelier saßen und Porträtaufnahmen machten. Dieser Konkurrenz entging „M. Strobl“, wie sie mit deutlich sichtbarem rotem Schriftzug ihre Fotoabzüge kennzeichnete. Die zahlreichen Fotografien von Industriebauten und Arbeitern, die nun im „Verborgenen Museum“ ausgestellt werden, sind aus zweierlei Gründen historisch wertvoll: Sie zeigen einerseits Bilder, wie man sie aus der Zeit nur selten zu sehen bekommt, und andererseits sind sie das Werk einer Frau, von der man damals auf jovial-süffisante Art gesagt hätte, dass sie ihren Mann stand, und von der man heute sagt, dass sie auf ihrem Gebiet eine Pionierin war. Unnötig zu ergänzen, dass sie damals noch nicht einmal eine Ausbildung zur Fotografin machen durfte …

Marianne Strobl. Industrie-Fotografin in Wien
19.9.2019 – 8.3.2020
Das Verborgene Museum
Schlüterstr. 70
D-10625 Berlin
Tel.: +49-30-3133656
Do + Fr 15 – 19 Uhr, Sa + So 12 – 16 Uhr
Eintritt: 3 €, erm. 1,50 €
www.dasverborgenemuseum.de

Text: Christian Corvin
Bild: Das Verborgene Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 69