Vom Heimchen am Herd zur selbstbewussten Frau

1.11.2019 – 9.2.2020 | Kunsthalle Talstrasse

Die 1920er Jahre werden gern als „Die Goldenen 20er“ bezeichnet. Der Erste Weltkrieg war 1918 zu Ende und damit auch ein Aderlass für die Gesellschaft, denn viele Männer kehrten aus dem Feld nicht zurück. Der Krieg veränderte nachhaltig die Frauen jener Zeit. Brachte der Mann als Arbeiter im Schweiße seines Angesichts das Geld zur Ernährung der ganzen Familie heim, waren die Witwen mit dem Nachwuchs auf sich selbst gestellt. Sie entdeckten und definierten sich neu und wurden selbstbewusster. Das Kriegsende bedeutete für die Frauen, bei allen Entbehrungen, ohne einen Ernährer im Haus zu haben, eine befreite Zeit.

Der Kunstverein Talstrasse zeigt im Rahmen des 100. Geburtstages des Bauhaus eine Auswahl von Frauenbildern aus den 1920er Jahren, die aus der Sammlung des Wiesbadener Geschäftsmanns Frank Brabant stammen. Im Alter von 20 Jahren ging der gebürtige Schweriner in den Westen. 1958 war die Grenze zwischen der BRD und der DDR noch offen. Seine neue Heimat wurde Wiesbaden und ist es bis heute. Wohlstand erreichte er durch das Betreiben von Diskotheken. 1962 wurde er vom Kunst-Virus befallen. In der Galerie von Hanna Bekker vom Rath erwarb er einen Holzstich von Max Pechstein. Er wurde zum Grundstein seiner heute über 500 Werke umfassenden Kunstsammlung. Schwerpunkt der Sammlung ist die Moderne, und sie zählt zu den bedeutendsten Privatsammlungen der Klassischen Moderne in Deutschland. Einen großen Anteil in der Sammlung haben Frauenporträts, von denen eine Auswahl jetzt in Halle zu sehen ist. Der Nachlass ist bereits zu Lebzeiten des Sammlers geregelt: Die Sammlung wird in zwei Teilen in einer Stiftung im Staatlichen Museum Schwerin und im Hessischen Landesmuseum in Wiesbaden ihre neue Heimat haben.

Der künstlerische Blick auf die Frau ist in dieser Ausstellung überwiegend männlich. Er reicht von der sachlichen und realistischen Darstellung bis hin zur Idealisierung und Idolisierung des Sujets. Die Schau zeigt aber auch die Wandlung der Frau, die sich in den Werken der Künstler perfekt widerspiegelt. Sie ließen ihr Leben nicht mehr von einem Mann fremdbestimmen.

Präsentiert werden unter anderem Werke von Emil Nolde, Erich Borchert, Elfriede Lohse-Wächtler, Alexej von Jawlensky, Ernst Ludwig Kirchner, Richard Ziegler, Otto Möller, Christian Schad und Rudolf Schlichter. Die Bilder zeigen die Frau in der klassischen Rolle als Mutter, Heilige, Geliebte oder Muse, Halbweltdame, Prostituierte, Arbeiterin und geheimnisvolle Femme Fatale. Die Sammlung Brabant zeichnet dabei der stilistische und thematische Facettenreichtum von Porträts und Szenen jener Zeit aus. Intellektuelle, die sogenannten „Neuen Frauen“, wurden wahrgenommen. Diese Vielfalt an Frauenbildern präsentiert dem Besucher einen interessanten Überblick über eine Zeit, in der scheinbar alles möglich war. Der Art Déco erlebte seine Blütezeit in Design, Mode, Accessoires und in der Mode. Die „Beinkleider“ für Frauen begannen ihren Siegeszug. Das unbequeme Korsett wurde für immer aus dem Kleiderschrank verbannt.

Das Frauenbild der 1920er Jahre. Zwischen Femme fatale und Broterwerb
1.11.2019 – 9.2.2020
Kunsthalle Talstrasse
Talstr. 23
D-06120 Halle (Saale)
Tel.: +49-345-5507510
Di – Fr 14 – 19 Uhr, Sa + So 14 – 18 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 5 €
www.kunstverein-talstrasse.de

Text: Nadja Naumann
Bild: Kunsthalle Talstrasse
Erstveröffentlichung in kunst:art 70