Bremen ganz konkret

10.11.2019 – 5.1.2020 | Städtische Galerie Bremen

In den 1970er und 1980er Jahre gelangten aus dem künstlerischen Schaffen in Bremen vor allem riesige Wandbilder im öffentlichen Raum in die bundesweite Diskussion. Kontrovers, politisch und von engagierter Zeitgenossenschaft – und vordringlich figürlich –, so lauteten damals die Schlagworte. Zeitgleich und vollkommen unabhängig davon aber entwickelte sich an der Weser eine weit verzweigte Vielfalt jener ganz speziellen Ausprägung der Abstraktion, die man konkret nennt. In einer groß angelegten zweiteiligen Schau dokumentiert nun die Städtische Galerie, in einem umgenutzten ehemaligen Gewerbebau in der Bremer Neustadt angesiedelt, die Konkrete Kunst aus Bremen. Kurator Ingmar Lähnemann, ein vertrauter Kenner der Bremer Szene, ist bei seiner Feldforschung auf eine überraschend große Anzahl von Künstlerinnen und Künstlern gestoßen, die nach den Prinzipien der Konkretion arbeiteten (und arbeiten): gegenstandslos, nicht-figürlich, nicht-narrativ, nicht-gestisch, nicht von aufgeregt subjektiver Emotionalität. Nach so ausgiebiger Definition aus der Negativität stellt sich natürlich die Frage nach den positiven Kriterien: Als diese könnte man das Interesse an einer Art von gestalterischer Systematik nennen, einer innerbildlichen Ordnung, die sich quasi-objektiven Denkkategorien wie denjenigen der Geometrie und Mathematik verpflichtet sieht. Und natürlich denen der Wahrnehmungspsychologie, besonders was die Wahrnehmung der Farben angeht. Dies Letztere im Bauhaus-Jubiläumsjahr 2019 ein interessantes Zusammentreffen!

Der erste Teil des Ausstellungsdiptychons, „bremen konkret I“ (in bauhäuslerisch-sachlicher Kleinschreibung geschrieben), zeigt 14 Positionen, die teilweise seit Jahrzehnten einerseits im obigen Sinne künstlerisch unterwegs sind, andererseits aber auch höchst persönliche (und auch ortsspezifische) Lösungen gefunden haben. Die traditionellen Bildmedien der Malerei, Druckgrafik und Zeichnung sind vertreten, wofür die Namen Daniel Behrendt, Reinhold Budde, Bert Haffke und Barbara Rosengarth stehen können oder auch Harald Zilly. Andere belegen, dass der Ansatz der Konkretion auch für ein plastisches Werk fruchtbar sein kann: Hier ist Barbara Deutschmann mit ihrer typischen Kombination von Beton oder Stein mit Wachs ein Beispiel für den Einsatz der direkten, unmittelbaren Wirkung des Materials, wie er ganz allgemein für die konkrete Kunst oft typisch ist. Der Übergang zu Installation ist da freilich fließend, wie sich auch ein bekannter Vertreter der eingangs erwähnten Wandmalerei, nämlich Jimmi D. Paesler, hier in dieser Ausstellung findet – ein Beweis für die Unmöglichkeit von sauberen Abgrenzungen. In eine ganz andere Richtung ging das Werk von Frieder Nake, der mit seiner algorithmischen Kunst einer der bahnbrechenden, frühen Pioniere für die Verwendung von Computern in der bildenden Kunst war. Hier, so kann man sagen, kamen die nüchterne Grundstimmung der Konkretion und das künstlerische Werkzeug ideal zusammen.

konkret bremen I
10.11.2019 – 5.1.2020
Städtische Galerie Bremen
Buntentorsteinweg 112
D-28201 Bremen
Tel.: +49-421-3615826
Do – So 12 – 18 Uhr
Eintritt frei
www.staedtischegalerie-bremen.de

Text: Dieter Begemann
Bild: Städtische Galerie Bremen
Erstveröffentlichung in kunst:art 70

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Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!