„Kippenberger war gute Laune!“

1.11.2019 – 16.2.2020 | Bundeskunsthalle

„Hallöchen!“ – so pflegte Martin Kippenberger (1953–1997) zu begrüßen; seine Galeristen, die Bekannten in der Kneipe, seine Freunde, er rief es zuweilen auch gerne ins Telefon. Dabei war es stets der Startschuss für Dialog, Unternehmung, die Erlebnisse, die er ruhelos suchte, während er auch seine Nächte gemeinhin schlaflos verbrachte, ebenso wie jeder, der ihn dabei begleitete. „Nein, normal war er nie“, weiß seine Schwester, die Autorin und Journalistin Susanne Kippenberger, in ihrem Buch über Bruder und Familie zu berichten. Für ihn verschwammen die Grenzen zwischen Kunst und Leben besonders intensiv, er reicherte sein Leben an mit einem dichten Geflecht aus Erfahrung und Begegnung, bezeichnete sich selbst dabei prägnant als „Spiderman“, der unaufhörlich seine Netze spann. So gleicht auch sein Werk einer einzigen, wahrlich heterogenen Collage; „und wo etwas heil war, hat er es zerbrochen, um die Scherben neu zusammenzusetzen“, erklärt seine Schwester.

Diese ‚Collage’ macht die Bundeskunsthalle Bonn erfahrbar in einer umfangreichen Retrospektive mit dem treffenden Titel „Bitteschön Dankeschön.“ – denn nicht nur der hier mitschwingende Humor berührt Kippenbergers Kunst im Kern. Auch spielt er an auf das konstante Geben und Nehmen in seiner Kunstproduktion, Input aus erlebter Umwelt ebenso wie rezipierter Kunst, zu künstlerischem Output paraphrasiert und amalgamiert. Aus allen Schaffensphasen und in dem breiten medialen Spektrum, das so charakteristisch für ihn ist, ist Kippenbergers Kunst nun in Bonn aus einer heutigen Perspektive zu erleben.

So wenig sich der junge Martin Kippenberger je in den gängigen Schulbetrieb einfügen konnte, so stark zog ihn bereits in frühen Jahren die Kunst an: Die Schule abgebrochen, aus einer Dekorateurslehre wegen Drogenkonsums entlassen, begann er mit 19 Jahren das Studium an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Bald erstreckt sich seine Arbeitsweise von Schauspielerei und Performances über Musik, Malerei, Skulptur, Fotografie, Zeichnung und Collage bis hin zu raumgreifenden Installationen und heterogenen Künstlerbüchern. Ebenso facettenreich sind auch die Inhalte seiner Werke, zu denen die eloquenten Titel nicht selten einen Schlüssel anbieten. Sie zitieren, parodieren und dekonstruieren, um daraus Neues entstehen zu lassen, bilden Serien und Netzwerke wie ein Abbild der Realität des Künstlers – in einem humorvollen und selbstreflexiven Spiel mit bestehenden Werkbegriffen, sodass seine Kunst auch in der Nähe des Neo-Dadaismus gesehen wird. Der scheinbare Dilettantismus seiner Gesten unterlag dabei jedoch einer klaren Strategie, die oftmals politisch unkorrekt riskierte, zu polarisieren und zu schockieren. So blieb ihm in seiner Heimat lange die Anerkennung verwehrt, die das Ausland ihm schon eher entgegenbrachte; das MoMA in New York soll heute mehr Werke von ihm in seiner Sammlung haben als alle deutschen Museen zusammen.

Zutiefst involviert in die Kunst, die sein Leben war, war es doch – für ihn typisch paradox – wichtig, zwischen dem Künstler Kippenberger und dem Menschen zu unterscheiden, zwischen Pose und Position. Gemäß seinem Motto „Wahrheit ist Arbeit“ beobachtete und spiegelte er seine Umwelt erbarmungslos, schmerzhaft, verlor dabei jedoch selten das sanfte Augenzwinkern: „Und ich arbeite daran, daß die Leute sagen können: Kippenberger war gute Laune!“

Martin Kippenberger. Bitteschön Dankeschön. Eine Retrospektive
1.11.2019 – 16.2.2020
Bundeskunsthalle
Museumsmeile Bonn
Helmut-Kohl-Allee 4
D-53113 Bonn
T +49 228 9171–200
Di + Mi 10 – 21 Uhr, Do – So 10 – 19 Uhr
Eintritt: 10 €, erm. 6,50 €
www.bundeskunsthalle.de

Text: Ninja Elisa Felske
Bild: Bundeskunsthalle
Erstveröffentlichung in kunst:art 70