Schau mir nicht in die Augen

28.9.2019 – 5.1.2020 | Wilhelm-Hack-Museum

Masken sind seit Jahrhunderten in vielen Kulturen der Welt Teil eines mystischen Spiels. Sie erlaubten Menschen, ihr irdisches, durch den Körper begrenztes Wesen in machtvolle Götter und Dämonen zu verwandeln – zumindest solange alle drum herum daran glauben. In den adeligen Gesellschaften Europas dann waren Masken eher Teil eines frivolen Spiels, das für die Dauer eines Balls erlaubte, sich ganz dem Vergnügen hinzugeben. Etwas Verstörendes haftet dagegen der Maske von Oskar Schlemmer an, die eine Frau auf einem berühmten Bauhaus-Foto von Erwin Consemüller trägt. Sie sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen in einem Atelier auf einem Sessel von Marcel Breuer und schaut den Betrachter an – oder schaut ihn eben nicht an, denn der Blick des Betrachters prallt an der undurchdringlichen Maske mit den leeren Augenlöchern ab: der neue Bauhaus-Mensch, ein technoides Wesen ohne individuelle Gesichtszüge.

Eine Reproduktion dieser Schwarzweißaufnahme hängt im Atelier des Mannheimer Künstlers Skafte Kuhn. Er ist fasziniert von Masken und ihrer Janusköpfigkeit. Sie ermöglichen den Menschen, in eine Rolle zu schlüpfen, im Guten wie im Schlechten. Dies kann dazu dienen, einen Charakter zu verdeutlichen, etwa auf der Bühne. Es kann aber auch dazu dienen, die eigene Identität zu verschleiern, um unter dem Schutz der Maske zu pöbeln und andere ungestraft zu verletzen. Kuhn paraphrasiert das Consemüller-Bild, indem er einen Mann in einen Drehsessel setzt. Dieser wendet uns den Rücken zu und betrachtet eine Figur, die nur aus einem männlichen Oberkörper mit einer dreidimensionalen Tetraeder-Maske besteht. Kuhn verwendet dafür Bilder aus Zeitschriften, die er schwarzweiß kopiert und vergrößert. Man könnte seine Arbeiten als Protest gegen die hochglanzgebügelte Selfie-Kultur deuten, die das nach allen Regeln der Kunst geschminkte Gesicht im allerbesten Winkel zur Kamera mit Schmollmündchen und weit aufgerissenen Augen positioniert, während das Antlitz bei Kuhn hinter verlaufenen Wachs- oder Betonspuren verschwindet.

In einer Arbeit finden sich bunte Punkte auf der schwarzweißen Hose eines Mannes, dessen Gesicht nicht zu erkennen ist. Dann verschwindet sogar die Figur selbst, und es bleibt nur das im Raum hängende, mit gelb-orangefarbenen Tupfern verzierte Beinkleid zurück. In seinen Arbeiten lässt sich Skafte Kuhn gerne von Musik inspirieren, die wiederum gerne von Literatur inspiriert ist, etwa Pink Floyd. Die Werkgruppe „und lautlos schloss das Wasser sich“ von 2010 bezieht sich auf das Album „Tales of Mystery and Imagination“ von Alan Parsons Project, das sich seinerseits auf Edgar Allan Poes Gedichte und Kurzgeschichten bezieht.

Dem gesamten Werk mutet etwas Melancholisches an. Bonjour Melencolia nennt Kuhn seine Ausstellung – in Anspielung auf Albrecht Dürers berühmte Radierung. Das menschliche Antlitz mit all seinen Gefühlsregungen, mit lebendigen Augen und sprechendem Mund ist immer noch das wirksamste Gegenmittel gegen die seelische Düsternis.

 

Skafte Kuhn. Bonjour Melencolia
28.9.2019 – 5.1.2020
Wilhelm-Hack-Museum
Berliner Str. 23
D-67059 Ludwigshafen am Rhein
Tel.: +49-621-5043045
Di – Fr 11 – 18 Uhr, Do 11 – 20 Uhr, Sa + So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 5 €
www.wilhelmhack.museum

Text: Dr. Milan Chlumsky
Bild: Wilhelm-Hack-Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 70