Bühne frei für einen leidenschaftlichen Tänzer!

30.11.2019 – 15.3.2020 | Kunsthalle Tübingen

„So ein Körper gibt doch mehr Anregung, als eine Landschaft es zu tun vermag, mir ist es immer wieder Bedürfnis, Akt zu malen oder wenigstens wo ich bin, den Bewegungen der Menschen folgen zu können“, notierte 1908 der Maler Max Pechstein (1881–1955). Die vielfältigen Formen von Landschaft, die der Expressionist früh in seinem Schaffen schon bei seinem Aufenthalt in der Südsee dokumentierte, sind sicherlich kennzeichnend für sein Werk. Aber die exotischen Ausflüge dienten in künstlerischer Sicht eher auch der Menschenbeobachtung. Pechstein zeigt sich im Rückblick auf der Höhe der Zeit.
Wie ein roter Faden zieht sich das Thema „Tanz“ durch das Lebenswerk des Künstlers, der selbst gerne leidenschaftlich tanzte. Der gebürtige Zwickauer, Mitglied der 1905 in Dresden gegründeten Künstlergruppe Brücke, lässt sich 1908 in Berlin nieder, das sich schnell zu einer pulsierenden Metropole mit einem boomenden Vergnügungsbetrieb etabliert. Vor Ort hält er das Gesehene in spontanen, schnellen Skizzen fest. Diese dienen ihm als Vorlagen für Druckgrafiken und Gemälde. Seit 1906 finden sich bei Max Pechstein Darstellungen von Tänzern auf Papier, 1909 bannt er zum ersten Mal den Tanz auf Leinwand. Das Thema begleitet ihn sein Künstlerleben lang. Im Jahr 1951 malt er den von seiner frühen Südseereise inspirierten „Mondscheintanz“.

Neben Gemälden und Aquarellen sind es die kleinformatigen Zeichnungen, die demonstrieren, wie Pechstein das Gesehene vor Ort unmittelbar ausdrückte. Ebenso werden seine druckgrafischen Serien „Tanz“ (1910), „Akrobaten“ (1912), „Russisches Ballett“ (1912) und „Karneval“ (1910) präsentiert. Kulturhistorische Dokumente wie Postkarten, Fotografien, Programmhefte, Kostüme und Filmaufnahmen vermitteln ein umfassendes Bild der Zeit- und Kulturgeschichte und letztlich Pechsteins Faszination für den Tanz und den Körper. Eine Tänzerin zeigt auf der Zehenspitze kapriziös im Postkartenformat ihr Können, daneben turnt großformatig auf einem Ölgemälde festgehalten auf den Rücken zweier Pferde der „Zirkusreiter“. Der Artist steht mit je einem Fuß auf den Rücken zweier galoppierender Pferde, auf seiner Schulter balanciert seine Partnerin. Körperkontrolle und Gleichgewicht treffen auf ungestüme Bewegungen. Flächenformulierungen und akzentuierte Strukturen gehen eine Verbindung ein.

In Kooperation mit den Kunstsammlungen Zwickau wendet sich das Ausstellungsprojekt erstmals der Bedeutung des Tanzes im Werk des bedeutenden Expressionisten zu. Tanz, Varieté, Zirkusdarstellungen, exotische rituelle Tänze aus Palau, die Darstellungen der Gesellschaftstänze der Goldenen 1920er Jahre, die Pechstein in Berlin erlebte: Bis zu den Erinnerungen an Palau in seinem Spätwerk werden in Tübingen rund 70 Arbeiten in Form einer chronologisch-thematischen Präsentation vorgestellt. Ergänzt werden diese Arbeiten mit ausgewählten Tanzdarstellungen anderer Expressionisten. Letztlich ist die Präsentation ein Rückblick auf eine energiegeladene Zeit, in der sich der Blick auf den Körper und dessen Wahrnehmung wandelt.

Tanz! Max Pechstein
30.11.2019 – 15.3.2020
Kunsthalle Tübingen
Philosophenweg 76
D-72076 Tübingen
Tel.: +49-7071-96910
Di – So 11 – 18 Uhr, Do 11 – 19 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 5 €
www.kunsthalle-tuebingen.de

Text: Stefan Simon
Bild: Kunsthalle Tübingen
Erstveröffentlichung in kunst:art 70