BRAFA: Zu jung für ihr Alter

bis zum 2.2.2020 | Auf der Brüsseler Kunstmesse steckt die Moderne in allen Epochen

BRAFA 2019 - General View © Fabrice Debatty

Besonders für die BRAFA ist 2020 ein rundes Jahr. Denn wäre die breit aufgestellte Kunst- und Antiquitätenmesse in Brüssel ein Mensch, könnte sie nun mit 65 langsam in Rente gehen. Aber das Gegenteil ist der Fall, die Ausstellung präsentiert sich vital und zeigt, wie man auch in hohem Alter an die Gegenwart angeschlossen sein kann. In fast allen Bereichen und Epochen, die von den 133 Ausstellern abgedeckt werden, finden sich verblüffend aktuelle Stücke.

Henkel, Etruskisch, um 500 v. Chr., H 17,4 cm
Bronze. Gebogener Henkel einer Kanne, der am oberen Ende in Form eines Fingers mit angegebenem Gelenk gearbeitet ist und unten mit einer Muschel endet. Hinter dem Finger eine flache Daumenauflage. Intakt.
Provenienz: Süddeutsche Privatsammlung Dr. K., erworben 2000 bei Galerie Günter Puhze, davor Privatsammlung des Archäologen Prof. Christoph W. Clairmont, Schweiz.
Preis: 5.800 Euro

Ein zunächst rätselhafte Bronze-Skulptur zeigt das im Angebot von Werner Puhze. Ein schlanker Finger weist nach oben, am unteren Ende entspringt er aus einer naturalistischen Muschelschale. Wäre man nicht in der Koje eines der führenden Spezialisten für Antiken, man hielte das Werk für eine surreale Bildhauerarbeit. Tatsächlich handelt es sich aber um ein Objekt aus dem 5. Jahrhundert vor Christus, die etruskische Arbeit ist tatsächlich der Henkel einer Kanne, würde sich aber auch in einer Einrichtung aus jüngster Zeit gut machen. Sehr passend für eine Messe, die das Cross-Collecting miterfunden hat. Angeboten ist es für 5800 Euro.

Am Stand des Tribal-Art-Spezialisten Charles-Wesley Hourdé scheinen dem Messebesucher seltsam bekannte Gestalten entgegenzutreten. Ein in Holz gearbeitetes Paar, Skulpturen der Senufo, scheinen ungewöhnlich belebt. Während sich die Bildhauerei dieser Ethnie aus dem Gebiet der Elfenbeinküste traditionell eher durch Symmetrie und eine aufrechten Stand der Dargestellten auszeichnet, steht hier ein Paar in belebter, lässiger Körperhaltung und scheint den Betrachter seinerseits anzublicken, als seien es zwei Halbstarke: Die Köpfe sind leicht geneigt, die Hände in die Hüften gestützt. Zudem sind die Figuren mit 121 und 127,5 Zentimetern Höhe vergleichsweise große Arbeiten. So überrascht es nicht, dass sie schon am Eröffnungsabend eine Käufer gefunden haben.

Auch die Alten Meister zeigen sich mal inhaltlich, mal stilistisch nahe an der Gegenwart. Die originellen Bildfindungen und brillanten Farben, die im Gemälde eines Nachfolgers von Hieronymus Bosch am Stand von De Jonckheere zu sehen sind, könnten auch in einem phantastischen oder surrealen Gemälde des 20. Jahrhunderts ihren Platz finden. Nicht erst seit dem Bosch-Jubiläum vor vier Jahren, als der 500. Todestag des Meisters mit großen Ausstellungen gefeiert wurde, ist das Interesse an seinen oft bizarren Motiven äußerst lebhaft. Das Werk seines Nachfolgers ist mit 385.000 Euro bepreist. Schauer ganz anderer Art verursacht ein Gemälde Pieter Breugels des Jüngeren. Man heute ohne weiteres nachvollziehen, was ihn zu seiner Darstellung der „Zahlung des Zehnten“ inspiriert hat. Überbordende Bürokratie hat schon im Jahr 1618 die Menschen bewegt, als das Werk entstanden ist. Für 1,2 Millionen Euro ist es bei De Jonckheere zu haben. Der Händler mit Sitz in Genf ist nach einer Unterbrechung im letzten Jahr auf der aktuellen Ausgabe der BRAFA wieder mit dabei.

Bei seinem Altmeister-Kollegen Jan Muller kann man das wohl leider immer aktuelle Thema der Gewalt und des Krieges in einer historischen Anschauung erleben. Der Spitzname „Lekkerbeetje“ des flämischen Heerführers Gerard Abrahams van Houwelingen bedeutet Naschkatze, die Darstellung von Sebastiaen Vranckx allerdings zeigt in schonungsloser Klarheit die Bitternis des Krieges. Wie in einer historischen Quelle kann man hier nachvollziehen, an welcher Stelle ein Reiter im Harnisch mit Stichwaffen verletzt werden kann und wie gegen Ende des 16. Jahrhunderts Feuerwaffen im Nachkampf eingesetzt wurden. Schon damals ein sehr erfolgreiches Genre für den Maler, das in unterschiedlichen Versionen und auch als Druck verkauft wurde. Die Faszination hält bis heute an. Jan Muller ist selbst überrascht, wie viele Anfragen ihm für diese 120 mal 65 Zentimeter große Tafel vorliegen. Angeboten ist sie für 58.000 Euro.

Bei aller Aktualität der Werke aus älteren Epochen ist das junge Genre des Comics ausgerechnet in Belgien als einem seiner Heimatländer weniger geworden. Die Belgian Fine Comic Strip Gallery, die im vergangenem Jahr noch zwei Blätter von Hergé für 2 Millionen Euro angeboten hatte, ist in diesem Jahr nicht mehr dabei. Lediglich Huberty & Breyne hält das Genre noch hoch und hat immerhin auch ein Blatt des Belgischen Comic-Helden aus seinem Album „Tintin et le temple du soleil“ dabei.

Allerdings hat die BRAFA trotzdem ein Highlight belgischer Kunst zu bieten. In zehnjähriger Forschungsarbeit konnte Samuel Vanhoegaerden eine bemerkenswerte James-Ensor-Sammlung zusammentragen. Nicht weit vom Galerie-Standot Knokke hatte der große belgische Künstler mit englischstämmigem Vater im Badeort De Haan ein Haus. Zur Messe bringt Vanhiegaerden sein neues Buch zum Künstler „Les Tentations de James Ensor“ mit. Aber vor allem sind natürlich zahlreiche Werke in der Koje zu sehen. Darunter ist eine Reihe von 15 Blättern mit Entwürfen für Figuren und Kostüme des Balletts „La Gamme d’Amour“. Zwar besteht die gesamte Serie aus 42 Blättern, die 15 Stück, die Vanhoegaerden an einer Wand seiner Koje zusammengetragen hat, sind aber schon ein beeindruckender Anblick.

Text: Jan Bykowski
Bild: Galerie Günter Puhze