Der ganze Schritt zur Digitalisierung

Mit dem Projekt artlet.online geht eine Münsteraner Galerie über das bisherige Ins-Netz-Stellen von Kunst hinaus

Ausstellungskosten und Reiseaufwand waren schon vor Covid19 Probleme, die die Kunstwelt umtrieben. Das Netz und der virtuelle Raum sind Orte, an denen Lösungen vermutet und erarbeitet wurden. Ihnen wird jetzt erhöhte Aufmerksamkeit zuteil. Peter Weyden von der Galerie ARTLETstudio in Münster erarbeitet zusammen mit Ingo Henning von der Agentur CREATIVEWORKS bereits seit vorletztem Jahr an Wegen, Ausstellungen und Kunstmessen im Netz zugänglich zu machen und Kataloge in digitaler Form um Ansichten zu erweitern, die über die Möglichkeiten von bedrucktem Papier hinausgehen. Die eigene Galerie von Peter Weyden, physisch in Münster gelegen, ist bereits im Netz zu besuchen. Unter der Domain artlet.online sind gegenwärtig die Ausstellungen „TABLEAUX CACHÉS“ mit Bildern von Marc Giai-Miniet und Schattenschnitten von Martina Lückener sowie die Gruppenschau „Mixed Media – Skulptur, Malerei, Neue Medien“ zu sehen. Weitere Geschosse könnte man virtuell ohne Weiteres anfügen. Auf dem Bildschirm kann man sich durch die digitale Umgebung bewegen, klickbare Buttons an den ausgestellten Arbeiten öffnen weitere Informationen und eine Kontaktmöglichkeit zur Galerie. So ist auch der Weg zur Verkaufsanbahnung geöffnet. Eine VR-Brille als Darstellungsmedium wird zukünftig einsetzbar sein, die Vorbereitungen dafür sind im Gange. Besonders für räumliche Werke wie Skulpturen liegt hier eine Ergänzung zum gedruckten Katalog. Zudem ist es digital (mittels Augmented Reality auf Smartphone oder Pad) auch möglich, eine Arbeit in ihre zukünftigen Umgebung virtuell zu projezieren, ohne sie tatsächlich zu transportieren. Auch das spart Transportkosten und Zeit und schließt jedes Risiko für das Werk aus.

Die auf artlet.online besuchbaren Räume wurden im virtuellen Raum digital nachgebaut, statt vorhandene Räume zu fotografieren und die Abbildungen darzustellen. Weyden nimmt den Mehraufwand für dieses Verfahren in Kauf, um flexible Umgebungen anbieten zu können. Nicht nur die Architektur des Ausstellungsraumes kann auf die Bedürfnisse der gezeigten Schau angepasst werden, auch die Beleuchtungselemente sind rein virtuell konstruiert und bieten daher ebensoviele Gestaltungsmöglichkeiten. Nutzer dieser Technologie sind Galerien ebenso wie private Sammlungen.

Auch die erste auf von art-service in Zusammenarbeit mit einem bekannten Messeveranstalter erstellte Kunstmesse wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Peter Weyden rechnet mit einem baldigen Realisierung. Die Umsetzung der digitalen Ausstellung von Kunst erfordert eine Vielzahl von einzelnen Lösungen: „Es handelt sich nicht um eine, sondern um einen ganzen Wald von Programmen und Dienstleistungen“, wie Weyden die Komplexität beschreibt. Deren Entwicklung nimmt Zeit in Anspruch, die auch von konkurrierenden Anbietern genutzt wird. Dadurch kann es noch zu einem spannenden Wettlauf mit der US-Amerikanischen Messe „Untitled“ kommen, die für dieses Jahr schon die erste rein virtuell stattfindende Veranstaltung angekündigt hat. Sie arbeitet mit dem Anbieter „Artland“, die ebenfalls Lösungen für Galerien und Sammler im Cyberspace bereitstellt. Der Galerist Peter Weyden ist von den Vorteilen seines aufwendigeren Verfahrens überzeugt. Neben Messen sind für ihn auch kleinere Veranstaltungen im Maßstab eines Kunstsalons denkbar, die Größe der digitalen Halle kann ebenso angepasst werden wie die der gewünschten Kojen. Kapazitätsprobleme gehören damit der Vergangenheit an, gequetschte Stände werden ebenso vermieden wie leer stehende, die physische Messen bisher mit Blumen oder Vorhängen kaschieren mussten. Das physische Erleben von Kunst mit allen Sinnen wird auch in Zukunft nicht zu ersetzten sein. Durch kreative Angebote im Netz können aber manche Probleme abgemildert werden, die sich im Kunstbetrieb der letzten Jahre auch im Zusammenhang mit anderen Überthemen gezeigt haben. Waren wirklich alle Flugmeilen des Kunstkalenders aus dem letzten Jahr erforderlich oder hätte man die ein oder andere Sichtung auch durch eine VR-Brille tun können? Und nicht zuletzt liegt in einer zunehmend digitalen Ausrichtung von Messen und Ausstellungen auch eine Chance, Kunst weniger elitär als bisher werden zu lassen. Denn Reisen und Transporte verursachten bisher Kosten, die nur wenige schon hinreichend etablierte Galerien und Sammler aufbringen konnten. Jan Bykowski

 

Links:

Galerie ARTLETstudio in Münster

art-service.online