Ins Innerste der Bilder blicken

3.10.2020 – 10.1.2021 | Kunsthalle Nürnberg

Als die Bilder laufen lernten, wurden sie zu einer Gegenmacht in unserem menschlichen Sprachgefüge. Während Wörter und deren Bedeutung in unserem Geiste erst zu einer Form finden müssen, sickern Filmbilder viel unmittelbarer in unser Innerstes, wecken Sehnsüchte, Erinnerungen oder schaffen ein unmittelbares geschichtliches Gedächtnis. Sich mit der Bedeutung von Bildern auseinanderzusetzen ist die künstlerische Ausgangssituation von Marcel Odenbach (* 1953). Der deutsche Pionier der Videokunst eignete sich eine ganz eigene Bildersprache an, die sich nicht nur mit den Bedeutungsebenen des Bildhaften auseinandersetzt, sondern immer wieder auch Fragen nach dem Narrativ von Zeitgeschichte stellt. Die Kunsthalle Nürnberg will mit der Ausstellung „Es brennt“ einen konzentrierten Einblick in das vielfältige Werk des Künstlers geben, der Architektur, Kunstgeschichte und Semiotik studierte und der zu den einflussreichsten internationalen Videokünstlern zählt.

Dabei legt die Ausstellung keineswegs den alleinigen Fokus auf dessen filmisches Werk. Korrespondierend zu den Filmen und zwei großen Videoinstallationen gibt es auch das zeichnerische Œuvre Odenbachs zu entdecken, sind diese Arbeiten doch strukturell den Filmarbeiten ähnlich. Statt der Bilder wird hier das Auge des Betrachters in Bewegung gebracht: In dem Erscheinungsbild eines Swimmingpools mit darin schwimmenden herbstlichen Blättern erblickt der reflektierte Betrachter eine Collage aus Hunderten kleinsten Bildern, die eine eigene Innensicht und also eine zweite Bedeutungsebene schaffen. Das Bild „Deutschland im Herbst“ aus dem Jahr 2019 erhält in diesen Details eine unerwartete semantische Erweiterung. Und auch die Collage „Ordnung muß sein“ aus demselben Jahr zeigt eigentlich einen harmlosen Besteckkasten. Es ist jener Kasten aus dem Bonner Kanzlerbungalow der 1960er Jahre. In seinen Schubfächern gibt es allerdings keine Gabeln und Messer zu entdecken, sondern kleinste Bilder aus der Zeit des Nationalsozialismus.

In der großformatigen Videoinstallation „Beweis zu nichts“ wiederum setzt sich der Künstler mit dem von Bertolt Brecht und Fritz Cremer entworfenen Mahnmal im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald auseinander. Dessen Oberfläche beschreibt er suchenden Auges mit dem Fokus seiner Kamera – trrotzdem er in dessen Bedeutung nicht eindringen kann. Und vielleicht ist es das: nämlich, an der Versprachlichung und Verbildlichung des Unaussprechlichen und des Nichtabbildhaften zu scheitern. Ob große Symbolik oder hintergründige Zeichensetzung: es ist diese spezielle Montage und Überblendung von Film- und Bildmaterial, mit Hilfe derer Marcel Odenbach die kulturellen Narrative und Bild-Ikonen aus dem kollektiven Gedächtnis zu hinterfragen versucht.

 

 

Marcel Odenbach. Es brennt
3.10.2020 – 10.1.2021
Kunsthalle Nürnberg
Lorenzer Str. 32
D-90402 Nürnberg
Tel.: +49-911-2312853
Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20 Uhr
Eintritt: 5 €, erm. 2,50 €
www.kunstkulturquartier.de/kunsthalle

 

Text: Karolina Wrobel
Bild: Kunsthalle Nürnberg
Erstveröffentlichung in kunst:art 75