Beyond the pain

10.10.2020 – 30.5.2021 | Galerie Stadt Sindelfingen

„Schmerz ist das, was immer ein Mensch darunter versteht, und Schmerz ist vorhanden, wann immer ein Mensch ihn wahrnimmt.“ (Schmerztherapeutin Margo McCaffery)
Schmerz ist etwas, das wir erwähnen, wenn es uns direkt betrifft und unser Kulturkreis es erlaubt, darüber zu reden. Aber er ist kein allgemeines Konversationsthema und so wissen wir vom Schmerz, leuchten ihn aber nie in seiner Ganzheit aus. Er hat viele Facetten, vom körperlichen Schmerz durch Krankheit, Verletzung, auch Phantomschmerzen, über seelische Schmerzen durch Liebeskummer, psychische Gewalt, bis hin zu positivem Schmerz, zum Beispiel bei bestimmten sexuellen Praktiken oder als Initiationsritus.

Madeleine Frey greift in ihren Ausstellungen gerne Themen aus dem Alltag auf. Schmerz ist eine Erfahrung, die jeder Mensch kennt, der universal aber auch durch kulturelle Normen definiert wird. „Beyond the Pain“ blickt nicht nur auf verschiedene Aspekte von Schmerz, sondern besonders auf die Schmerzüberwindung. Die Schau hat trotz des ernsten Themas den Anspruch, positiv zu bleiben. Die Ausstellung beleuchtet den Dreiklang von Geist, Körper und Seele in Bezug auf den Schmerz, und die Kuratorin hat fünf Themen herausgearbeitet, auf die die ausgewählten Künstler und Werke eingehen: Trauer und Weltschmerz, Folter und Traumata, Krankheit und Tod, Grenzerfahrungen und sexuelle Entgrenzung, Körpererweiterung und Body-Enhancement. Die zentralen Fragen in diesem Kontext sind: Wie kann Schmerz überwunden werden? Was kommt nach dem Schmerz? Kann Schmerz positive Kräfte freisetzen? Welche positiven Effekte können entstehen?

Schmerz ist zeitbasiert, dies soll auch in der Ausstellung durch Videoarbeiten und Performances widergespiegelt werden. Der Besucher wird aktiv miteinbezogen, oder hat die Wahl, zu partizipieren, wie bei Patrycja Germans Performance zur Quantenheilung. Andere Arbeiten sind verstörend und erweitern die Definition zur Kunst, so das “Saydnaya-Projekt“ von Forensic Architecture. Die syrische Regierung hatte die Existenz des perfiden Foltergefängnisses bestritten. Durch Gespräche mit Opfern konnte mit deren Hilfe die Architektur des Gefängnisses rekonstruiert werden. Da die Haftanstalt immer in Dunkelheit gehalten wird, spielen auditive und taktile Erinnerungen eine zentrale Rolle. „Mit dieser Rekonstruktion versuchen wir, die Geschichte dieses Gefängnisses abzubilden und für die Menschen zu sprechen, die noch immer dort sind“, sagt Christina Varvia, Projektmanagerin bei Forensic Architecture.

Es werden Werke von insgesamt zwölf zeitgenössischen Künstlern gezeigt, einige werden extra für die Schau angefertigt, wie die Skulptur zur Herzöffnung von Barbis Ruder. Neue Blickwinkel eröffnen sich, wenn Damien Hirsts Medizinschrank zum Reliquienschrein wird, und Nobuyoshi Arakis Bondage-Bilder zeigen das Lustprinzip Schmerz.
Die anspruchsvolle Schau verhandelt ein Thema, dem wir uns viel öfter öffnen sollten.

 

 

 

Beyond the Pain
10.10.2020 – 30.5.2021
Galerie Stadt Sindelfingen
Marktplatz 1
D-71063 Sindelfingen
Tel.: +49-7031-94325
Mo – Fr 10 – 18 Uhr, Sa + So 10 – 17 Uhr
Eintritt frei
www.galerie-sindelfingen.de

Text: Liande Wendt
Bild: Galerie der Stadt Sindelfingen
Erstveröffentlichung in kunst:art 75