Lichtgewaltig

23.10.2020 – 21.2.2021 | Lichtsicht gem. Veranstaltungsgesellschaft

Projektionen gibt es im Kunstkontext inzwischen einige, in den Gradierwerken von Bad Rothenfelde ist jedoch eine einmalige Art der Projektionskunst möglich. Die 10.000 qm große, 14 Meter hohe und 1 Kilometer lange Schwarzdornwand ist nicht nur wegen ihrer Fläche, sondern auch wegen ihrer Oberfläche unverwechselbar. Das Gradierwerk wurde zur Salzgewinnung gebaut. Die Sole wird über Windräder nach oben gepumpt und läuft dann über die Dornenwände herunter. Hier setzten sich die Mineralien ab und so wird der Salzgehalt im Wasser erhöht. Die mineralischen Ablagerungen auf den Dornen bilden einen außergewöhnlichen, sehr pastos wirkenden Hintergrund für Lichtprojektionen. William Kentridge verwies in seinem Interview (2015) bereits darauf, dass die Wand mehr als ein Fries zu betrachten sei und dass man recht klare Abbildungen brauche, um die unebene Oberfläche bespielen zu können.

Allerdings ist diese nicht nur eine große Herausforderung, sondern auch eine Möglichkeit. In „Feuerwall“ von Holger Förterer komplementiert der Hintergrund den Eindruck der brennenden Wand von 2015. In der Installation von Julius von Bismark „Feuer mit Feuer“ wird dies den Eindruck dieses Jahr ebenfalls verstärken.

Die Form der Darstellung bietet eine interessante Mischung aus Technologie und Projektion. Der ehemalige Kurator Peter Weibel hatte hohe Ansprüche an die Künstler, es ging ihm darum, die Projektion mit dem Licht als Medium der Intonation als selbständige Kunstgattung zu pflegen.

Prof. Dr. Michael Bielcky, der neue Kurator der „lichtsicht“, arbeitet nicht nur mit hochkarätigen Namen, sondern gibt auch ausgewählten innovativen Kunststudierenden eine Bühne. Die Projektionsbiennale, die inzwischen mit einer gemeinnützigen Veranstaltungsgesellschaft statt einem Sponsor und umgewandelt in eine Triennale neu aufgestellt ist, setzt dieses Jahr besonders auf asiatisch konnotierte Kunst. Lu Yangs „Delusional Crime And Punishment“ ist „ein Denkmal des globalisierten, neurowissenschaftlich-inspirierten Denkens zwischen Asien und Amerika“. Mirai Mizue „Dreamland“ nimmt den Betrachter mit in die Unendlichkeit der Fantasie.

Das „Grand Bouquet“ von Nao Yoshigai verrät deutlich ihre Erfahrungen als Tänzerin. In mitreißender Poesie thematisiert sie den Zustand der Lähmung und zeitweisen Paralyse aus Angst vor Bestrafung, Verfolgung und Gesichtsverlust. Eine andere Art von Poesie findet sich in Refik Anadols Datenskulptur „Bosphorus“, die die Meeresoberflächenaktivität imitiert. Hingegen ist Natalie Bookchins Arbeit „the act of changing something’s position“ hochaktuell. Sie gibt dem Black Lives Matter Movement eine andere Plattform. nuQ verbindet mit dem minimalistischen Animationsfilm „The Last Episode“ das Thema Liebe und Kurzlebigkeit. Dongling Wangs „Work in Progress“ schlägt eine Brücke zwischen neuer Technik und dem China vor dreitausend Jahren. Es ist eine reiche Auswahl an Werken, die verschiedenste menschliche Gefühle, Verhaltensweisen und Entwicklungen offenbart.

 

 

Lichtsicht 7. Projektions-Triennale in Bad Rothenfelde
23.10.2020 – 21.2.2021
Lichtsicht gem. Veranstaltungsgesellschaft
Tel.: +49-5424-22180
Projektionszeiten
Täglich 17:30 – 21:30 Uhr, Fr + Sa 17:30 – 22:00 Uhr
Öffentliche Führungen (8 €)
Do – So 18 Uhr und 19:30 Uhr
www.lichtsicht-triennale.de

Text: Liane Wendt
Bild: Lichtsicht gem. Veranstaltungsgesellschaft
Erstveröffentlichung in kunst:art 76