Sie wurden in ihrer Zeit belächelt und verspottet, die Künstler des frühen 19. Jahrhunderts, die dem Atelier den Rücken kehrten und die Staffelei ganz bewusst im Freien aufstellten. Das Malen unter freiem Himmel und die Bedingungen des natürlichen Lichts waren zugleich eine Inspirationsquelle für die Künstler. Es entstanden wunderbare Werke, die in ihrer Zeit nicht die Würdigung erfuhren, die ihnen eigentlich zustand. Im Gegensatz zu heute.
Die Ausstellung im Niedersächsischen Landesmuseum beginnt mit der „Schule von Barbizon“. Die Künstler, die ihr angehörten – es war keine Schule im herkömmlichen Sinne – lehnten eine akademische Lehre ab und orientierten sich an der Natur. Um 1830 in Barbizon am Wald von Fontainebleau von Théodore Rousseau gegründet, bezog sich der Begriff von Schule auf die Schulung durch die Natur, denn in dieser Künstlerkolonie gab es nie einen Lehrer. Die hier praktizierte Landschaftsmalerei nahm europaweit Einfluss auf dieses Genre. Insbesondere der Impressionismus wurde von der Schule von Barbizon nachhaltig geprägt. Die realistische Darstellung der Natur widersprach der klassisch-idealistischen Landschaftskomposition. Was heute manchmal bei einem Bild aus jener Zeit vom Betrachter als sentimental empfunden wird, galt damals als radikal. Radikal deswegen, weil die Werke zum Beispiel Bauern oder Mägde bei der Arbeit zeigten. In jener Zeit unerhört und gesellschaftlich ein Affront. Zu den wichtigsten Vertretern zählen neben dem Gründer der Schule von Barbizon Jules Breton, Camille Corot, Gustave Courbet, Charles-François Daubigny, Alexandre-Gabriel Decamps, Jules Dupré und Jean-François Millet.
Doch die Freilichtmaler, auch Pleinairisten genannt (französisch en plein air: im Freien), waren nicht die Ersten, die sich mit dem natürlichen Licht in der Natur beschäftigten. Leonardo da Vinci beschäftigte sich in der Renaissance bereits damit und verfasste das „Traktat über die natürliche Malerei“. Da die Fotografie Anfang des 19. Jahrhunderts noch nicht erfunden war, mussten sich die Maler auf ihre Skizzen eines Landschaftsmotivs und ihr Gedächtnis verlassen. Die Freilichtmaler vollendeten nicht jedes Werk unter freiem Himmel. Oftmals wurde das Bild dann im Atelier fertig gestellt.
Die Arbeiten der Impressionisten faszinieren Kunstliebhaber heute mehr denn je. Claude Monets Bild „Impression – soleil levant“ (Impression – Sonnenaufgang) stand dafür Pate. Für den Kunstkritiker und Journalisten Jules-Antoine Castagnary war Monets Bild mehr als nur eine Landschaft, es spiegelte die Eindrücke und Wahrnehmungen des Künstlers des Motivs wider.
Die deutschen Künstler wandten sich vom Naturalismus kommend dem Impressionismus zu. Max Liebermann, Lovis Corinth und Max Slevogt sind die wichtigsten Vertreter. Mit der Loslösung von der strengen akademischen Ausbildung näherten sich die Freilichtmaler der Natur an. Sehr skandalös in einer Gesellschaft, die ganz klar in Klassen der Ober- und Unterschicht unterteilt war.
Im Freien. Von Monet bis Corinth
16.7.2021 – 16.1.2022
Landesmuseum Hannover
Willy-Brandt-Allee 5
D-30169 Hannover
Tel.: +49-511-9807686
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 10 €, erm. 8 €
www.landesmuseum-hannover.de
Text: Nadja Naumann
Bild: Landesmuseum Hannover
Erstveröffentlichung in kunst:art 80