Das Leben, ein Fest!

18.6. – 3.10.2021 | Oberes Belvedere

Der Enthusiasmus der Generaldirektorin Stella Rollig und des Kurators Alexander Klee bei der Pressekonferenz im Oberen Belvedere in Wien zur Ausstellung über Lovis Corinth (1858–1925) ist raumfüllend. Der Grund, davon darf ausgegangen werden, ist der Künstler. Die enge Zusammenarbeit mit der Kuratorin Kathrin Elvers-Švamberk vom Saarlandmuseum Saarbrücken ermöglicht es, die wesentlichen Bestände der Häuser zu vereinen und so die Werke dieser schillernden und widersprüchlichen Künstlerpersönlichkeit groß angelegt zu präsentieren. Dabei gelingt es, einen Spannungsbogen, durch die Motivauswahl zum einen und als künstlerischen Lebensverlauf zum anderen, zu präsentieren.

Bereits zu Lebzeiten konnten Corinths Werke keinem konkreten Stil zugeordnet werden, vielmehr stellt er in seinen Ölgemälden und Grafiken den Sprung vom 19. Jahrhundert in die Moderne dar, denn er nutzt Stilelemente sowohl des Symbolismus oder des Impressionismus als auch des Expressionismus. Was seinen Werken innewohnt, ist die markante ausdrucksstarke Malerei, besonders in seiner Farbgebung. Wobei Alexander Klee insistiert, dass Corinth trotzdem nicht den Expressionisten zuzuordnen ist. Dieser leidenschaftliche Malstil wird vor allem in den Pinselstrichen deutlich. Dabei leuchten die aufgetragenen Farben zum Beispiel bei Blutrot, als wären sie aus Blut gemalt (Geschlachteter Ochse, 1892). Es ist diese Authentizität, die Corinths Werke markant erscheinen lassen. Dabei ist er nicht als Solist anzusehen. Im Gegenteil: Er sieht sich und seine teils historisierende thematische Herangehensweise im Bezug auf die historische künstlerische Abfolge der großen Künstler vor seiner Zeit und als Teil der nachfolgenden.

Die Leidenschaft für die Freuden des Lebens, für Feste und Bälle, die sinnliche und genussvolle Lebenseinstellung, finden deutlichen Ausdruck in seinen Bildern: Das Leben ist als Fest zu genießen. So ist im ersten Ausstellungsraum ein Porträt seiner ehemaligen Schülerin und seit 1903 Ehefrau, Charlotte Berend, im Ballkleid mit kunstvoller Faschingsmaske zu sehen.

Selbst finanzielle Sorgen hinderten ihn nicht daran, 1903, als er in Berlin lebte, über sich kundzutun: „ich trage jetzt nur mehr Lackschuhe“. Wie seine Freuden verarbeitete Corinth auch seine melancholischen Phasen im Bild, oft in Selbstporträts (Selbstporträt in Pelz und Pelzbarett, 1916).

Heuchlerische bürgerliche Verhaltenskodexe veranschaulichte er in der Darstellung von Prüderie des Kleinbürgertums (Die Waffen des Mars, 1910), das Zurücktreten seiner Frau um seiner Karriere willen nahm er allerdings gerne an. Gleichwohl spiegelt es den Rückhalt in seiner vierköpfigen Familie wider.

Seine Direktheit und Unmittelbarkeit mögen ihren Ursprung im handfesten Beruf seines Vaters als Gerber haben. Gerade bei seinen Schlachtbildern, die im zweiten Raum zu sehen sind, handelt es sich um eine teils poetische, respektvoll intendierte Darstellung der Sujets.

Das Studium einiger seiner Werke im ungerahmten Zustand lässt darauf schließen, dass Corinth vor Ort im Schlachthaus oder vor anderen Motiven direkt auf die Leinwand malte. Daher sind diese unmittelbaren Eindrücke in seinen Bildern so wahrhaftig aufzunehmen. Der Katalog zur Ausstellung bietet eine belebende und bildhafte Wiedergabe der Schau, doch die Werke dieses expressiven Künstlers ziehen ausschließlich in natura in den Bann im Sommer in Wien oder im Winter in Saarbrücken.

 

 

Lovis Corinth. Das Leben, ein Fest!
18.6. – 3.10.2021
Oberes Belvedere
Prinz Eugen-Str. 27
A-1030 Wien
Tel.: +43-1-795570
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 16 €, erm. 13,50 €
www.belvedere.at

Text: Greta Sonnenschein
Bild: Oberes Belvedere
Erstveröffentlichung in kunst:art 80