Unvorstellbar viel Stoff

22.05.2021-24.10.2021 | Museum für zeitgenössische Kunst - Diether Kunerth

Pinkfarben umschmeicheln riesige Gewebestreifen die „Surrounded Islands“ in der Biscayne Bay nahe Miami, monolithisch silbern dominiert der „Verhüllte Reichstag“ das wiedervereinigte Berlin, safransatt flattern die Stoffbahnen der „Gates“ im New Yorker Central Park im Wind. Der Zauber der Projekte von Christo (1935–2020) und Jeanne-Claude (1935–2009) liegt auch in ihrer Farbigkeit.

Keiner fängt diese so gut ein wie der Fotograf Wolfgang Volz (* 1948). Er lernte das Paar Anfang der 70er Jahre kennen und begleitete ihre Vorhaben exklusiv mit der Kamera. Er dokumentierte die jahrelange Entwicklung der Werke und überführte die Flüchtigkeit des meist nur wenige Tage oder Wochen existierenden Endergebnisses in etwas, das blieb.

Besonders kurz war die Lebensdauer der spektakulären Aktion „Valley Curtain“, bei der Christo 1972 – nach 28 Monaten Vorbereitungszeit – rund 18.600 qm orangefarbenes Nylongewebe durch die Rifle-Schlucht in Colorado spannen ließ. Weil ein Sturm aufkam, musste der Stoff nach 28 Stunden wieder entfernt werden. Doch auch hier gelang es Volz, den atemberaubenden, technisch hoch komplexen Eingriff in die Natur eindrucksvoll festzuhalten.

Nun sind seine Aufnahmen unter dem Titel „Wolfgang Volz – Das Auge von Christo und Jeanne-Claude“ im Museum für zeitgenössische Kunst – Diether Kunerth in Ottobeuren zu sehen. Und kommen in dem minimalistischen Ambiente des Hauses, das von Architekt Fabian Lohrer aus Stuttgart entworfen und 2014 von Künstler Diether Kunerth eröffnet wurde, gut zur Geltung.

Immer wieder ist man erstaunt über das Ausmaß der aberwitzigen, im Grunde aus utopischen Ideen geborenen Installationen, über ihre räumlichen Dimensionen und die Kraftanstrengung, die dahintersteckte. Nicht nur, dass Christo und Jeanne-Claude jeweils sämtliche Kosten mit dem Verkauf von Entwurfszeichnungen und Grafiken stemmten. Auch für die Kommunikation mit unzähligen Mitarbeitern, Kooperationspartnern, Unternehmen und Entscheidungsträgern brachten sie die nötige Energie auf.

Unter den gezeigten Arbeiten finden sich viele aufsehenerregende Schöpfungen, wie die früh verhüllte Küste, die „Wrapped Coast“ der Little Bay bei Sydney von 1969, der eingepackte Pont Neuf in Paris von 1985 und natürlich die „Floating Piers“ auf dem Iseosee von 2016. Darüber hinaus werden einige Collage-Grafiken von unrealisierten Vorhaben und fiktiven Entwürfen präsentiert.

Wer noch kein Werk von Christo und Jeanne-Claude, die seit 1994 gemeinsam als Urheber auftraten, gesehen hat, dem empfiehlt sich im Herbst eine Reise nach Paris. Dort wird ein Herzensprojekt der beiden posthum realisiert: Die Verhüllung des Arc de Triomphe, die voraussichtlich vom 18. September bis zum 03. Oktober 2021 stattfindet. Verantwortlich zeichnet Wolfgang Volz, der schon bei zahlreichen Aktionen des Paars die technische Leitung übernahm.

 

 

 

Wolfgang Volz. Das Auge von Christo und Jeanne-Claude
bis zum 24.10.2021
Museum für zeitgenössische Kunst – Diether Kunerth
Marktplatz 14a
D-87724 Ottobeuren
Tel.: +49-8332-7969890
Di – Fr 11 – 16 Uhr, Sa + So 12 – 17 Uhr
Eintritt: 6 €, erm. 3 – 5 €
www.mzk-diku.de

Text: Dr. Julia Behrens
Bild: Museum für zeitgenössische Kunst- Diether Kunerth
Erstveröffentlichung in kunst:art 80