Stella Hamberg ist der neue Stern am Skulpturenhimmel. Ihre Arbeiten sind
ungewöhnlich, da sie sich im Gegensatz zur modernen Konzeptkunst an klassischen Materialien orientiert. Ihrer Meinung nach gibt es genug Theoretisches. Für sie ist künstlerische Gestaltung intim, persönlich und kann so nur direkt am und durch das Kunstwerk selbst erreicht werden. Ihre Arbeiten sind die Suche nach neuen Wegen des Verstehens durch die Darstellung selbst.
Ihre Skulpturen scheinen raum- und zeitlos, jedoch sind sie in ihrer Entstehung das
Gegenteil. Die Bildfindung der Ausnahmekünstlerin ist stark beeinflusst durch ihre
Wahrnehmung und Teilhabe an der Welt und der Gesellschaft, durch den Entstehungsprozess selbst, durch Erfahrungen und eigene innere Bilder, Visionen und durch Spiritualität. Hat sie die Themen und Empfindsamkeiten verinnerlicht, findet sie ihre Form.
Als wichtigstes Instrument des Menschen spielt dabei der menschliche Körper oft eine elementare Rolle. Es zeigt die „… Beständigkeit des Leibhaftigen das Gestern mit dem Heute verbindet“, heißt es im zur Ausstellung erscheinenden ausführlichen Katalog.
Handwerkliche Praxis und Technik haben einen hohen Stellenwert in Hambergs Werken. Ihre Arbeiten sind sehr intim, der Entstehungsprozess, das Arbeiten in Ton ist mit körperlichem Einsatz verbunden. Ihre Hände, ihre Finger bearbeiten und formen das Material. Sie verwandeln die Realität in ein Bild.
Im Arp Museum werden die überdimensional großen Figuren in lichtdurchfluteten Räumen vor weißen Wänden präsentiert. Dies unterstreicht die scharfen Konturen der dunklen Skulpturen. Hambergs menschliche Figuren und Mischwesen weisen gelängte Extremitäten auf, oder sie hat die Bedeutungsträger des menschlichen Körpers – Köpfe, Hände oder Füße – vergrößert dargestellt. Der Körper bleibt hingegen „frei modelliert.“ Dies zieht die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich und das ist ein von der Künstlerin gewollter Effekt.
Die Oberflächenstruktur der Werke ergibt sich aus dem Konzept, die endgültige Form der Arbeit wird im Entstehungsprozess geboren. In den ersten Arbeiten spielten Erinnerungen an reale Personen und Gegebenheiten noch eine Rolle. Mit Beginn der Arbeiten in Bronze werden die Figuren fiktional. Die abstrakten Skulpturen wie „The Curve“ entstanden durch Hambergs Auseinandersetzung mit generischen Mustern: physiologische, topographische, geologische Strukturen, Linien, Frequenzen und Sequenzen in der Natur, das Wachsen von Pflanzen.
Ihre Werke sind zumeist eine Mischung aus figürlicher und abstrakter Darstellung. Für sie ist es spannend, die unterschiedlichen Formen aufeinander treffen zu lassen: „[S]o beginnt das Erzählen“, sagt sie selbst. Es ist die Verbindung zwischen Natur und Vorstellung, Gleichzeitigkeit und Wandel. Laut Hamberg sind ihre Werke Bilder, die den Zauber des Lebendigen feiern und gleichzeitig das Leben als permanenten Wandel darstellen. Die Ausstellung in Remagen ist die bisher umfassendste Schau der Künstlerin.
Stella Hamberg. Corpus
bis zum 27.2.2022
Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Hans-Arp-Allee 1
D-53424 Remagen
Tel.: +49-2228-942516
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 9 €
www.arpmuseum.org
Text: Liane Wendt
Bild: Arp Museum Bahnhof Rolandseck’
Erstveröffentlichung in kunst:art 80