Die Essenz der Kunst

19.6. – 17.10.2021 | Mumok Museum Moderner Kunst

Von Weitem sehen die Regale aus wie aus einem Ikea-Katalog: Sie sind überzogen mit einer schwarzen Lackschicht und von schnörkelloser Form. Den Pressspan, aus dem die Möbelstücke gefertigt sind, nennt der österreichische Künstler Heimo Zobernig das „demokratische Material“, die Regale sind für ihn „Skulpturen mit angewandter Bedeutung“. Der Künstler hat jedoch nicht bei Ikea eingekauft, sondern die Regale selbst gezimmert. Außer Pressspan verwendet er Pappe und Styropor, um Objekte zu schaffen, die er lackiert, damit sie aussehen wie industriell gefertigte Waren.

1987 hat der Österreicher die „fünfteilige Farbpalette“ aus „unbunten Farben“ entwickelt. Zu den „Skulpturenfarben“, wie er sie nennt, zählen Grau, Schwarz, Weiß, Braun und Orange. Für den Künstler hat Farbe eine zentrale Bedeutung. Bereits seit Mitte der 1980er Jahre beschäftigt er sich mit monochromer Malerei, bearbeitet Karton mit schwarzer oder weißer Farbe aus Kunstharz und kleinformatigen Mustern. Manche Objekte sehen aus wie unfertige Prototypen. Zobernig arbeitet wie ein Wissenschaftler, tüftelt, probiert aus. Wenn etwas nicht funktioniert, versucht er es auf andere Weise. Trial and error.

Mit Sprachwitz und Ideenreichtum hebt er die Kunst vom Sockel. Dabei steckt hinter seinem Schaffen ein Plan, er entwickelt Systeme und Normierungen, mit deren Hilfe er komplexe Vorgänge und Sachverhalte auf den essenziellen Kern reduziert. Sein Werk stellt eine intellektuelle Herausforderung für den Betrachter dar, medienübergreifend hinterfragt er alles.

Die Beschäftigung mit Theorien aus der Kunstgeschichte, die sich mit geometrisch-abstrakten Darstellungsformen auseinandersetzen, gaben Zobernig Impulse für sein eigenes Werk. Künstlerische Vereinigungen wie die der russischen Konstruktivisten, der Anhänger der niederländischen de-Stijl-Bewegung oder der Zürcher Konkreten wandten sich von der traditionellen Kunst ab, um eine völlig neue Formensprache zu entwickeln. Zobernig geht noch einen Schritt weiter: Er deklariert den Schaffensprozess als Kunst.

Er erweitert die Grenzen von Malerei, Skulptur, Film, Performance und Design. Dass die meisten seiner Arbeiten keinen Titel tragen, versteht sich schon fast von selbst: Der Betrachter soll seine eigenen Schlüsse ziehen.

Zu den weiteren Merkmalen seiner Kunst gehören bemalte Schaufensterpuppen, die er wie in einem Filmstill arrangiert oder einfach in eines der Regale aus Pressspan setzt. Grenzüberschreitend kommt es auch vor, dass eine Schaufensterpuppe als Halterung für Regalbretter dient: Bei Heimo Zobernig ist alles möglich!

Wer seine eigenen Grenzen erweitern möchte, hat hierzu in der Ausstellung im Mumok Gelegenheit. Gezeigt wird insbesondere Zobernigs Malerei der letzten Jahre.

 

 

Heimo Zobernig
19.6. – 17.10.2021
Mumok Museum Moderner Kunst
Museumsplatz 1
A-1070 Wien
Tel.: +43-1-525000
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 13 €, erm. 9,50 €
www.mumok.at

Text: Karin Gerwerns
Bild: Mumok Museum Moderner Kunst
Erstveröffentlichung in kunst:art 80