Poetische Landschaften sofort

18.9. – 23.12.2021 | Alfred Ehrhardt Stiftung

Denkt man an Landschaftsbilder, so assoziiert man nur zu oft weite Aussichten auf markante Berge, gestochen scharfe Wälder oder unendliche Prärien, oder aber man denkt an Landschaften, deren versuchte Sachlichkeit mit so viel Kitsch angereichert ist, dass sie zur völlig überzeichneten Landschaft als Souvenir avancieren; vor allem jedoch stellt man sich imposante Formate und große Bildwinkel vor, welche die unermesslichen Weiten der Welt einzufangen vermögen. Und doch ist das, was Knut Wolfgang Maron mit seinen kleinformatigen Polaroidfotos zeigt, nicht weniger – eben nur eine, wie er selbst einräumt, avantgardistische Form von – Landschaft.

Mit seinen in der Ausstellung gezeigten Polaroids aus mehr als vierzig Jahren beweist der gebürtige Bonner Künstler wie zuvor bereits der legendäre Landschaftsfotograf Ansel Adams, dass auch die Sofortbildfotografie fähig ist, sich dem Sujet der Landschaft zu widmen; und wie so oft in diesem Genre – das im Übrigen bis heute nach einer eindeutigen Definition strebt – geht es zwar vordergründig um Landschaften, die Metaebene reicht jedoch zeitweise in weitaus tiefere Kerben der Weltpolitik. Offenkundig lassen Marons Landschaftsfotografien zunächst kein politisch motiviertes Statement vermuten, doch führt man sich die weltweiten Umweltentwicklungen – einen Denkanstoß gab dem Künstler vor allem die Katastrophe von Tschernobyl – vor Augen, so erkennt man die Abkehr seiner Arbeiten von einer schönen heilen Welt zugunsten einer subjektiven Dialektik, die jedoch reale Auswirkungen keineswegs negiert. Aktueller denn je und von andauernder Brisanz zeigt der gebürtige Bonner Maron seit 1978 mittels instantaner Landschaften, was Klimawandel und ökologische sowie politische (Fehl-)Entscheidungen mit unserer Welt anrichten können. Dabei setzt er weder auf das Schockmoment noch auf Plakative, sondern transferiert die reale Welt in seinen sehr atmosphärisch aufgeladenen Bildkosmos, der auf mentale und visuelle Reize beim Betrachter abzielt.

Für die Umsetzung seiner Bildideen nutzt Maron das Mittel der SX-70 Polaroidfotografie, einem in der digitalen Welt antiquiertes und für das heutige Verständnis von Schnelligkeit nahezu gemächlichen Medium. Die bereits 1972 vom Gründer der Firma Polaroid Corporation Edwin Herbert Land vorgestellte Technik des SX-70-Systems basiert auf dem Verfahren des farbigen Integralfilms, welcher die Entwicklung und das Abziehen des Zwischennegativs umgeht, indem Positiv und Negativ als eine Einheit in der Filmkassette vereint sind. Somit offenbart sich jedes Polaroid dieser Serie zum einen in einem festgelegten Format von 7.8
× 7.9 cm und ist zum anderen stets ein Unikat. Die Polaroid SX-70 arrivierte in Amerika und Europa sowie in weiten Teilen Asiens zum Trendstück einer ganzen Generation und hielt in gleichem Maße Einzug in kommerzielles wie künstlerisches Terrain.

Marons Landschaftsaufnahmen nutzen die ganz spezifische Bildästhetik, die von diffusen Lichtverhältnissen und einer veränderten Farbwelt zeugt. Der einstige Schüler von Otto Steinert und Erich vom Endt an der Folkwangschule Essen lehrte bis 2020 selbst fast dreißig Jahre als Professor für experimentelle Fotografie an der Hochschule Wismar. Ihm war mit der Wahl des Polaroidmediums daran gelegen, seine Landschaften in der Tradition der Subjektiven Fotografie mittels einer Technik, die selbst und medienimmanent durch ihre Unperfektheit subjektive Ergebnisse lieferte, umzusetzen und somit das intuitive Moment zu potenzieren.

Die Promotionsarbeit von Dr. Denise Susnja behandelte das Thema der künstlerischen Polaroidfotografie.

 

 

Knut Wolfgang Maron. Bilder über Landschaften. SX-70 Polaroids 1978-2021
18.9. – 23.12.2021
Alfred Ehrhardt Stiftung
Auguststr. 75
D-10117 Berlin
Tel.: +49-30-20095333
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt frei
www.aestiftung.de

Text: Dr. Denise Susnja
Bild: Alfred Erhartdt Stiftung
Erstveröffentlichung in kunst:art 81