Reale Gefahr durch Künstliche Intelligenz

9.10.2021 – 9.1.2022 | Museum Gunzenhauser

Künstliche Intelligenz macht vielen Angst. Ist das die Angst, die Kontrolle an eine Maschine zu verlieren? Oder im Gegenteil die Angst, dass diese künstliche Intelligenz doch nicht so intelligent ist, wie man meinen könnte? Die Interventionen, mit denen Simon Weckert etwa die Algorithmen von Google überlistet, austrickst und zu offensichtlich falschen Ergebnissen führt, nehmen jedenfalls die Angst vor einer übermächtigen Intelligenz, die dem Menschen in IT-Systemen zur Konkurrenz wachsen könnte. In Weckerts Heimatstadt Chemnitz stellt das Museum Gunzenhauser Werke seine Arbeiten, die sich oft im virtuellen Raum bewegen, in Gestalt von Installationen physisch vor.

Mit dem „Zapfenstreich“ ist hierzu gar eine neue Maschine entstanden, die aus einer digital bespielten Trompete auf einem Notenständer besteht. Durch sie ist die Idee einer Kriegsführung durch autonom agierende Kampfroboter ins Absurde geführt. Wenn Maschinen im militärischen Einsatz tun sollen, was bisher Menschen getan haben, dann kann man das auch bis zum Ende eines Einsatzes, nämlich bis zum Zapfenstreich weiterdenken. Die Maschine ist mit digitalen Mitteln darauf ausgerichtet, das Lied zur Ehre heimkehrender Soldaten zu spielen, doch im Reich autonomer Rechner ist das von einer ganz anderen, sonderbaren Traurigkeit.

Auch im Zivilen ist Künstliche Intelligenz längst in den Alltag eingezogen. Das Angebot von Google Maps hat den klassischen Faltplan aus den meisten Autos verdrängt. Aber auch hier deckt Simon Weckert Tücken auf. Mit „Google Maps hacks“ hat er in Berlin einen virtuellen Stau verursacht, dessen Auswirkungen in der realen Welt spürbar wurden. Der Dienst Google Maps ermittelt laufend anhand der Bewegung von Handys, von denen fast jeder genau eines dabei hat, das Verkehrsaufkommen. Das ist nützlich, um einen Stau auch ohne Beobachtungshubschrauber in Echtzeit zu beobachten und darauf zu reagieren. Ein Bollerwagen voll Handys, genau 99 Stück, die Weckert langsam durch enge Straßen zog, gaukelte Google eine große Menge langsamer Verkehrsteilnehmer vor, einen Stau also. Reale Autofahrer wurden daraufhin auf Ausweichrouten umgeleitet. Das ist allerdings nur auf den ersten Blick drollig. Sieht man, welche Kriege Grenzziehungen auf einer Landkarte in der Geschichte bereits verursacht haben, vergeht der Spaß. Anhand von China und Indien führt Simon Weckert vor, wie Landkarten in verschiedenen Regionen unterschiedlich dargestellt werden. In spannungsreichen Gebieten kann das reale Gefahren entfachen.

Viele Menschen machen sich ihr Bild von der realen Welt immer ausschließlicher auf Basis der Informationen, die sie aus dem Netz beziehen. In Anbetracht der Leichtigkeit, mit der diese Informationen manipuliert werden können, ist sie wieder da, die Angst vor der Künstlichen Intelligenz. Aber nicht vor ihrem bösen Willen, sondern vor den Menschen, die diese KI unter Kontrolle bringen und damit indirekt Weltbild und Meinung vieler manipulieren, die sich von den offenen Informationsnetzwerken gerade eine gesteigerte Objektivität versprochen haben. Und oft immer noch daran glauben.

Jan Bykowski lebt und arbeitet als Journalist in Berlin.

 

 

 

Simon Weckert. Ubuntu – The other me!
9.10.2021 – 9.1.2022
Museum Gunzenhauser
Falkeplatz
D-09112 Chemnitz
Tel.: +49-371-4887024
Di 11 – 18 Uhr, Mi 14 – 21 Uhr, Do – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 5 €
www.kunstsammlungen-chemnitz.de

Text: Jan Bykowski
Bild: Museum Gunzenhauser
Erstveröffentlichung in kunst:art 81