Was macht ein Kirchenmöbel des 16. Jahrhunderts aus Siebenbürgen in Norddeutschland? Das Tobsdorfer Chorgestühl kam zur Genesung und war dafür sogar im Krankenhaus. Als Restauratoren der Hildesheimer Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst auf einer ihrer Exkursionen in Rumänien auf einem Dachboden einen Haufen Bretter fanden, war nur Experten klar, dass es sich hier um einen bedeutenden Fund handeln könnte. Es erwies sich als ein Chorgestühl, zurückgelassen von Siebenbürger Sachsen, die nach 1989 Rumänien verlassen konnten. Nach Diskussionen mit der noch vorhandenen Kirchengemeinde konnte das spätgotische Stück ebenfalls ausreisen, in Hildesheim wurde es von 70 Restauratorinnen und Restauratoren untersucht und wiederhergestellt. Einer der Beteiligten war Gunar Großmann. Um die vermoderte Stellfläche des Chorgestühls zu ergänzen, entwickelte er ein neues Verfahren, zugleich seine Masterarbeit. Im Zuge dieses Verfahrens musste er das Werkstück sogar mit dem Computertumografen eines Krankenhauses betrachten. Heute ist Großmann Restaurator im Museum Schloss Gottorf.
In einer Wanderausstellung, die hier Station macht, können Besucher die Auferstehung des Chorgestühls nachvollziehen. Dabei wurden nicht nur Hinweise auf ein sehr frühes Beispiel für Serienproduktion in der Möbelfertigung gefunden, sondern auch die Signatur des Meisters Johannes Reychmuth und die Datierung 1537. Das genesene Möbel ist nun zurück in Siebenbürgen, in Gottorf kann seine Geschichte nachvollzogen und ein rekonstruierter Sitz des Chorgestühls von Besuchern „besessen“ werden.
Die Restaurierung des Tobsdorfer Chorgestühls
17.9.2021 – 6.2.2022
Museum für Kunst und Kulturgeschichte Schloss Gottorf
Schlossinsel 1
D-24837 Schleswig
Tel.: +49-4621-813222
Mo – Fr 10 – 17 Uhr, Sa + So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 10 €, erm. 8 €
www.museum-fuer-kunst-und-kulturgeschichte.de
Text: Jan Bykowski
Bild: Museum für Kunst und Kulturgeschichte Schloss Gottorf
Erstveröffentlichung in kunst:art 81
